By the way, I'm writing this book review in German language as the book is written in German and it is about the German view on things, with many very German - terms. The article could therefore not even be conceived in English. It would have to be laboriously translated, which anyway goes wrong most of the time.
Übrigens schreibe ich diese Rezension ausnahmsweise auf Deutsch. Denn das Buch ist auf Deutsch geschrieben und es geht um die Deutsche Sicht auf die Dinge, mit vielen sehr Deutschen – Begriffen. Der Beitrag könnte also gar nicht auf Englisch erdacht werden. Er müsste erst mühsam übersetzt werden. Und das geht eh meistens schief.
Nach einem Buch, wie diesem, Staat ohne Gott -Religion in der säkularen Moderne von Horst Dreier, hatte ich lange gesucht.
Der Bedarf kam während einer Diskussion auf, als ein Teilnehmer fragt, ob der Koran eigentlich mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. So habe ich das Grundgesetz gelesen und den Koran – beides nicht gerade Nachttischlektüre - und jetzt also den namhaften Verfassungsjuristen Horst Dreier.
Zwar sind in guter Verfassungsjuristenmanier ein größerer Teil der Seiten mit Fußnoten gefüllt. Ansonsten schreibt er aber für einen Vertreter der Akademia dieser Richtung erstaunlich lesbar. Entsprechend vermarktet es der Verlag auch nicht unter der juristischen Fachliteratur.
Vorweg schicken muss ich meine Anerkennung, dass sich der Autor als Jurist und amtierender Hochschulprofessor und dann auch noch öffentlichkeitsgeeignet an ein immer noch – oder vielleicht wieder - so heikles Thema wagt.
Entsprechend vorsichtig und mit allerlei Disclaimern versehen, dass es hier in keinerlei Weise gegen irgendeine Religion gehe, nicht gegen deren öffentliche Betätigung und nicht gegen deren politische Teilnahme. Fast so, als drohe bei Blasphemie noch immer der Scheiterhaufen.
Dann folgen erst einmal ~ 40 Seiten Definition von Säkularisierung und verwandten Begriffen – mit wohlgemerkt fast 50% Fußnoten . Dadurch macht der Autor, wohl ungewollt, deutlich, dass dieser Begriff eigentlich nicht mehr alltagstauglich ist.
Ein sehr schönes Kapitel befasst sich kursorisch mit der Entwicklung der persönlichen Freiheiten allgemein und damit einhergehend der Religionsfreiheit in deutschen Landen vom Augsburger Religionsfrieden über den Westfälischen Frieden und weitere Zwischenstufen, wie das Preußische Landrecht bis zur Neuzeit – eine notwendige Auffrischung der Geschichtskenntnisse.
Nach dieser Vorbereitung kommt er zum eigentlichen Thema: Die von ihm geforderte Neutralität des Staates gegenüber Religionen und anderen sinnerklärenden Weltanschauungen. Dabei geht er zunächst auf vermeintliche Widersprüche im Grundgesetz selber und Ungereimtheiten in einigen Länderverfassungen ein.
Anschließend betrachtet er einige spektakuläre Urteile wie das „Kruzifix-Urteil“ oder das „Kopftuch-Urteil“. Für mich persönlich tröstlich zu lesen, dass nicht nur mir damals einige der Urteilsbegründungen etwas hergeholt und verquer vorkamen.
Im weiteren Verlauf befasst sich der Autor mit allerlei neueren restaurativen Bewegungen, die der Verfassung die Vernunftgrundlage zu entziehen trachten und ihr statt dessen etwas irgendwie Heiliges / Sakrales unterjubeln wollen. Streckenweise hat der Autor mein volles Mitgefühl, denn die umfangreichen Zitate lassen erahnen, durch welch voluminöse Werke voller verstiegener Ansichten und in verquaster Sprache formuliert, er sich mit wissenschaftlicher Akribie und demonstrativer Nachsicht hindurch gearbeitet hat.
Dieser, im Gewand der gelehrten Rechtsphilosophie daherkommende, Neo-Obskurantismus, nach dem Motto ‚philosophisch ist, wenn möglichst keiner mehr versteht‘, fügt sich in eine zu beobachtende globale Retro-Bewegung ein. Müssten wir nicht eher all unsere Ratio zusammen nehmen, um die sich vor der wachsenden Menschheit auftürmenden aktuellen und abzeichnenden Probleme in den Griff zu bekommen? Ich gehe da gerne mit dem Autor, dass hier statt religiöser Rechtswurzelmystik hier eher eine Prise ganz profaner kühler Rationalität angebracht wäre.
Ein Kapitel behandelt den Gottesbezug und dessen Genese, der sich gleich in den ersten Satz der Präambel des Deutschen Grundgesetzes eingeschlichen hat. Auch bei dessen Lektüre wird deutlich, dass sich religiöse Bezüge an entscheidenden Stellen wieder einschleichen, nachdem zunächst saubere Ansätze gewählt worden waren. So auch bei dem Deutschen Grundgesetz. Mit allerlei aberwitzigen Argumenten wurde hier versucht, dieser wichtigsten rationalen Staatsgrundlage ein irrationales Fundament unterzuschieben.
Am Ende ist der Gottesbezug als „Demutsformel“ akzeptiert worden – in Wahrheit ein Kompromiss der Aufgeklärten mit den religiösen Ultras. Man muss also den Eindruck gewinnen, dass selbst Verfassungsrechtler nur mit der Drohung eines strafenden Gottes (warum eigentlich nicht eines Pantheons?) ausreichend „Demut“ aufbringen, um nicht wieder autoritäre Grundregeln zu verfügen. Durch einige Pro-Gottesbezug-Argumente schimmert die Beschwichtigung durch, als „Demutsformel“ sei er jedenfalls unschädlich. Das wäre eine Lobpreisung von Hänsel und Gretel aber auch, ohne dass diese ernsthaft gefordert würde.
Das letzte Kapitel widmet sich einem einzigen fundamentalen rechtsphilosophischen Satz, der als „Böckenförde Diktum“ bekannt geworden ist: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. …“. Dieser auch als „Böckenförde Dilemma“ bezeichnete Satz drückt aus, dass der Staat auf einem Wertefundament ruht, dass zwar beeinflussen kann, aber selber nicht geschaffen hat. Ursprünglich als Abgrenzung gegenüber allen religiösen Tendenzen verstanden, wurde er bald als Einfallstor der etablierten Kirchen missbraucht, die wie selbstverständlich dieses Wertefundament für sich reklamierten; in der unreflektierten Annahme: „Ja wer denn sonst?“
Gewiss müssen Behauptungen, die nicht bewiesen oder nicht beweisbar sind, schlicht geglaubt werden. Das ist bei religiösen Überzeugungen üblicherweise der Fall. Es geht hier ja gerade um das Spirituelle, Transzendentale, Metaphysische, das sich weiteren Erklärungen entzieht. Nur, weil hier alle Erklärungen enden, macht werden diese aber nicht automatisch zu der Kraft, die die Welt im Innersten zusammenhält.
Was hält einen freiheitlichen säkularen Staat also zusammen? Nationalismus, Zwang, Religion, … können es eben nicht sein. Es muss einen inneren Zusammenhalt geben, eine Inklusion, einen ethischen Grundkonsens geben, der dafür sorgt, dass sich die Gesellschaft auch als Gemeinschaft versteht.
Weder Böckenförde noch Horst Dreier geben hier eine Antwort auf diesen „Weckruf“.
Zurück zu der mir gestellten Frage, ob der Koran denn mit dem Deutschen Grundgesetz vereinbar ist, wird mir nach der Lektüre dieses Buches klar, warum ich im Grundgesetz selber keine Antwort darauf gefunden habe. Es verhält sich weitgehend religionsneutral. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs toleriert das Grundgesetz auch Meinungen, die diesem entgegen wirken. Anders mag es mit religiös motivierten Handlungen aussehen. Diese könnten sehr wohl mit anderen, dort formulierten, Grundrechten kollidieren.
Das Böckenförde-Diktum weist aber die Richtung in der die Hauptarbeit, die vor uns liegt, zu leisten ist: Ein Wertefundament zu schaffen, das diesem fragilen Gebilde „säkularer Rechtsstaat“ bei aller Diversität seines Staatsvolkes ein stabiles und nachhaltiges Fundament gibt.
Horst Dreier hat mit seinem Buch einen großen Bogen gespannt. Durch seine verständlichen Formulierungen ist er in der Lage, eine breite Leserschaft mit auf diese spannende Reise durch einen wichtigen Teil der Rechtsphilosophie zu nehmen. Dabei hält er sich mit eigenen Wertungen neutral zurück, wenn man seine Neutralität und Neutralitätsforderung nicht bereits als Parteinahme sehen will.
Ein Buch, das ich vorbehaltlos allen Interessierten zum Lesen empfehlen kann.
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