My near philosophical musings about the world in general its problems and possible ways out.

2024-04-30

Es wird politische Antworten geben

Wirkungen und Nebenwirkungen, die wir von der KI auf Jobs, Kultur und Gesellschaft erwarten können.

A drag holds a human child in Fantastic Planet (1973)

Künstliche Intelligenz − Sie ist (endlich) angekommen

Mit der Veröffentlichung von ChatGPT3 ist seit Ende des Jahres 2022 eine Form der der sogenannten künstlichen Intelligenz (KI) Teil des Lebens von Millionen Menschen in weiten Teilen der Welt geworden.

Lange hat es gedauert bis eine zunächst akademische Kuriosität zu einem alles beherrschenden Mega-Thema geworden ist.

Als die offizielle Geburtsstunde des Fachs KI gilt die legendäre Dartmouth-Konferenz im Jahr 1956. Hier prägte John McCarthy den Begriff "Künstliche Intelligenz". Zusammen mit Marvin Minsky, Claude Shannon und Nathan Rochester organisierte McCarthy die Konferenz. Er gilt damit als einer der Großväter einer Entwicklung, die heute die Gemüter vieler Menschen bewegt.

Dieser Erfolg war keineswegs gesichert. Von der Dartmouth Conference bis ChatGPT war es eine Geschichte des Auf und Ab, in der auf Höhen kleiner Erfolge gleich wieder Tiefen folgten, die sogenannten KI-Winter. Nach überzogenen Erwartungen, die schlicht nicht erfüllt werden konnten, reagierten die Märkte enttäuscht. In der Folge wurden die Finanzierungen dieses esoterischen Forschungszweigs gestrichen − man beschäftigte sich wieder mit handfesten, erfüllbaren Aufgaben.

 


Jetzt aber ist die KI im Mainstream angekommen. Sie ist allgegenwärtig, dominiert die Investitionsentscheidungen, wird zum einen als Heilsbringer einer Zukunft des Überflusses gefeiert und zum anderen als letzte Erfindung der Menschheit vor ihrem unaufhaltsamen Untergang gefürchtet.

Wieder haben wir es mit überzogenen Erwartungen zu tun. Die Welt der KI-Experten ist sich aber einig: einen dritten KI-Winter wird es nicht mehr geben. Der Geist ist jetzt aus der Flasche. Er lässt sich nicht mehr stoppen.

Aber können wir uns dessen wirklich so sicher sein? Könnten sich der enorme Datenhunger für das Training der KI-Modelle und / oder der horrende Energiebedarf, der damit, aber auch mit deren Nutzung einhergeht, größere Unfälle, schlicht wiederum überzogene Erwartungen oder andere, noch nicht vorhersehbare Ereignisse, nicht wieder bremsend und desillusionierend auswirken?

Ich halte das für möglich. Aber hier soll es um etwas anderes gehen.

Wir sind an der Schwelle einer Entwicklung angekommen, die die Welt in der wir arbeiten und leben nachhaltig verändern wird.

Dieses Statement war in den letzten Wochen und Monaten in dieser oder einer ähnlichen Formulierung schon häufiger zu hören. Wenn wir, bei aller gesunden Skepsis gegenüber Voraussagen, dieser Annahme einmal folgen, welche Folgewirkungen werden sich dann daraus für Jobs, Kultur und Gesellschaft ergeben?

Ein Blick auf die Geschichte lehrt und, dass die menschliche Entwicklung in Wellen verläuft. Keineswegs folgt sie einem gradlinigen Trend zu mehr, wie auch immer definiertem, “Fortschritt“. Nehmen wir hier aber der Einfachheit halber an, die Entwicklung der wenigen letzten Jahre ginge in Richtung und Geschwindigkeit so weiter, wie bisher oder gar noch schneller. Dann wird die KI wird unser Leben tatsächlich nachhaltig verändern.

Aber wie?

Darum sollten wir uns Gedanken machen.

Damit stellt sich eine Vielzahl von Fragen, die zu beantworten nicht leicht, vielleicht sogar unmöglich, ist, von deren Beantwortung jedoch unser Schicksal als Menschheit in ihrer Gänze abhängt.

Fragen wie …

  • Steht uns eine Zeit des Überflusses bevor, wie es euphorische Zukunftspropheten wie Peter Diamandis seit Jahrzehnten nicht müde werden, vorherzusagen? Oder verlieren wir erst unsere Arbeit, dann unseren Lebensinhalt?

  • Werden sich Mensch und Maschine die Arbeit gütlich aufteilen, sodass jede Partei das tut, wofür die am besten geeignet ist? Oder können die KI-Kollegen bald alles besser als wir und der menschliche Eingriff würde nur noch stören?

  • Wird eine neues Maschinenzeitalter anbrechen, eine Ebene höher, mächtiger und produktiver als heute? Oder werden sich die Maschinen zu unseren neuen Kollegen weiterentwickeln? Werden sie, eine Schöpfung nach unserem Ebenbild, ein Bewusstsein, eine eigene Meinung − einen Eigensinn haben?

  • Nehmen wir weiter an, die Entwicklung würde eruptiv und schnell in wenigen Epizentren unseres Planeten vor sich gehen. Werden wir für die Gesellschaften in den einzelnen Ländern dieser Erde und zwischen den Staaten die richtigen Lösungen für eine angemessene Teilhabe an den Früchten dieser Entwicklung finden?

  • Werden wir ausreichend Zeit haben, auf diese Veränderungen zu reagieren? Müssen wir sie vielleicht sogar als alternative Szenarien antizipieren? Oder werden wir, wie so oft in der Vergangenheit, die gesellschaftlichen Folgen erst bemerken, wenn sie nicht mehr zu leugnen sind und eine revolutionäre Welle wirtschaftliche, gesellschaftliche und damit politische Änderungen mit disruptiver Gewalt einfordert?

Vieles mag an dieser, von der KI getriebenen, Innovation neu, spezifisch und ganz anders als zuvor sein. Dennoch, wenn wir in die Zukunft schauen wollen, hilft oft bereits ein Blick in den Rückspiegel, auf vergangene wirtschaftliche Wellen. Oft werden diese zyklischen Wirtschaftsentwicklungen nach ihrem Namensgeber, dem sowjetischen Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew auch als Kondratjew-Zyklen bezeichnet.

Welche Ratschläge erhalten wir bei einem Blick in die Geschichte, wenn wir ihr drei simple Fragen stellen?

  • Welche technischen Innovationen in der Geschichte der Menschheit hatten gesellschaftliche und politische Auswirkungen?

  • Welche Auswirkungen waren das?

  • Wie lange hat es jeweils gedauert, bis diese Auswirkungen erkennbar wurden?

Wir sollten uns da bei der Gefahr bewusst sein, dass der Einfluss technischer Innovationen kurzfristig oft überschätzt, langfristig aber tendenziell unterschätzt wird.

Was lehrt uns die Rückschau?

Im Verlauf der Menschheitsgeschichte hat es eine Vielzahl Technischer Innovationen gegeben. Die wirtschaftlichen Auswirkungen für die bereits erwähnten bisher 5 Kondratjew-Zyklen sind vergleichsweise gut untersucht. Über die gesellschaftlichen und politischen Folgen herrscht deutlich weniger Konsens. Auch hatte es schon vor Beginn der Industrialisierung Innovationen gegeben, die bedeutende gesellschaftliche und politische Auswirkungen hatten.

Wiederum drei von ihnen will ich hier exemplarisch betrachten. Sie umfassen …

  • Die Druckerpresse
  • Die Dampfmaschine und
  • Das Internet

Die Druckerpresse und die Explosivkraft des Wissens für Alle

Johannes Gutenberg
Von Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert entwickelt, schaffte sie die Voraussetzung dafür, dass bisher kleinen Insider-Kreisen vorbehaltenes Wissen in großer Menge eine weite Verbreitung finden konnte.


Die Auswirkungen der Innovation “Druckerpresse“ wurden innerhalb von Jahrzehnten spürbar.

Begünstigt durch ein politisches Umfeld, in dem in der Folge vorausgegangener, katastrophaler Pestepidemien die weltliche Macht traditioneller Autoritäten geschwächt war, sahen wir als unmittelbare oder mittelbare Folgen weitreichende geistige und politische Bewegungen, wie …

  • Renaissance,
  • Humanismus,
  • Reformation,
  • Aufklärung

Dieser "Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit",wie es Immanuel Kant später einmal bezeichnen sollte, hatte neben den unbestreitbar positiven Effekten auch Nebenwirkungen, die Mitteleuropa in eine Katastrophe stürzen sollte, deren Folgen noch lange zu spüren waren.

Die neue Gedankenfreiheit rüttelte schließlich an göttlich empfundenen gesellschaftlichen Ordnungen. Gegenkräfte ließen nicht lange auf sich warten. In den schicksalhaften 30 Jahren zwischen Prager Fenstersturz und dem Westfälischen Frieden wurde Mitteleuropa weitgehend verwüstet. Dieser 30-jährige Krieg hat die Bevölkerung Mitteleuropas um etwa die Hälfte reduziert.

Die Dampfmaschine und der lange Schatten der Industriellen Revolution

James Watt
Verbunden mit dem Namen James Watt wurde die Dampfmaschine im 18. Jahrhundert entwickelt. Nach gängiger Lehre leitete sie damit die industrielle Revolution ein, den 1. Kondratjew-Zyklus.

Sie veränderte Arbeitsbedingungen und wirtschaftliche Strukturen nachhaltig, führte zu einer Welle der Urbanisierung. Die pro-Kopf-Einkommen in den USA beispielsweise verdoppelten sich während des 19 Jahrhunderts. Die Lebenserwartung in Großbritannien stieg von 40 auf 48, die Alphabetisierungsrate von 75% auf 97%.

Diese gesellschaftlichen Veränderungen wurden innerhalb weniger Generationen deutlich.

Aber auch diesmal hatten die wiederum unbestreitbar positiven Effekte ihre deutlichen Schattenseiten. Das infolge des Bevölkerungswachstums gestiegene Angebot preiswerter Arbeitskräfte wurde konsequent ausgenutzt. Soziale Ungleichheiten, Ausbeutung und die Entfremdung der Arbeiterklasse waren die Folge.

1867 publizierte Karl Marx Bd. I seines Hauptwerks “Das Kapital“. Er schaffte damit die theoretischen Grundlagen für Sozialismus und Kommunismus. Die Ursachen aber lagen in den durch eine Innovation ermöglichten gesellschaftlichen Spannungen und den dadurch freigesetzten politischen Kräften. Sie bewirkten Revolutionen, Gegenbewegungen und ideologische Konflikte, die noch heute spürbar sind.

Das Internet − die Infrastruktur für Kommunikation und Interaktion

Tim Berners-Lee
Seit den 1960er Jahren aus einem militärischen Bedarf heraus entwickelt und zivil zunächst im akademischen Bereich verwendet, hat das Internet nach Kondratjew einen 5. wirtschaftlichen Zyklus ausgelöst.

Es hat die Art und Weise, wie wir kommunizieren, Geschäfte machen und politische Bewegungen organisieren, tiefgreifend verändert.

Die Auswirkungen wurden relativ schnell, in den späten 1990er und frühen 2000er Jahren, offensichtlich.

Per heute bietet es fast jedem Bürger den Zugang zum Wissen der Welt, zur Kommunikation mit Einzelpersonen, Interessengruppen und Unternehmen. Mehr noch als in der entwickelten Welt, hat es inzwischen einigen Milliarden Menschen in der sich noch entwickelnden Welt, wie in Indien oder China, die Teilnahme an gesicherten finanziellen Transaktionen und an der Interaktion mit Behörden und Unternehmen ermöglicht.

Die Kehrseite aber ist, dass es auch für Propaganda, Fake-News, Verschwörungstheorien, Hasstiraden verwendet wird. Zwar sind diese Bedrohungen für Gemeinwesen, deren Grundlage verlässliche Informationen sind, so alt wie die Menschheit. Neu aber ist die jetzt verfügbare Informationsmenge. Unsere mangelnde Vertrautheit mit einer gewissenhaften Quellenprüfung erweist sich hier als problematisch. Zunehmend überfordert die Fülle des Informationsangebots den einzelnen Bürger.

So reizt auch die Allgegenwart des Internets zur Überwachung und zur Manipulation durch Freund und Feind. Was einmal als der große und für offizielle Stellen nicht kontrollierbarer Freiraum begann, hat sich inzwischen zum bestüberwachten Kommunikations-Medium der Welt entwickelt. Staaten und Unternehmen, die einen nennenswerten Anteil der Internet-Infrastruktur betreiben haben dadurch eine enorme Macht über Staaten, Unternehmen und Bürger erhalten, die diese Infrastruktur nur nutzen. Wie zu erwarten, formieren sich auch hier wieder Gegenbewegungen. Deren Einfluss ist jedoch noch nicht absehbar. Das Rennen ist noch offen. Wir befinden uns mitten im Zentrum einer atemberaubenden Entwicklung.

Diese Innovationen zeigen, wie Technologie die sozialen und politischen Strukturen verändern kann, oft schneller, als Gesellschaften sich darauf vorbereiten (können).

Was bedeutet das für die Auswirkungen der KI?

Da wir uns bereits seit wenigen Jahren im Zeitalter der künstlichen Intelligenz befinden, habe ich anstandshalber zunächst auch die KI nach der Sicht auf ihre eigenen Belange befragt. Was also meint ChatGPT 4.0 dazu? − Geben wir dem Kollegen (ungeprompted) das Wort.

Die Frage war:

Wenn wir diese Erfahrungen auf die künstliche Intelligenz übertragen.
Was haben wir dann zu erwarten?

Die etwas ernüchternde Antwort ist im Folgenden zusammen mit meinen etwas flapsigen Kommentaren wiedergegeben:

  • Beim Übertragen dieser historischen Erfahrungen auf die künstliche Intelligenz (KI) können wir bedeutende gesellschaftliche und politische Veränderungen erwarten.

⇨ Ach, nee?

  • KI hat das Potenzial, Arbeitsmärkte durch Automatisierung umzugestalten, die Effizienz in vielen Sektoren zu steigern und die Art und Weise, wie wir Daten verarbeiten und Entscheidungen treffen, grundlegend zu verändern.

⇨ Dafür müssen wir nicht ChatGPT befragen

  • Die Auswirkungen könnten sowohl positive Aspekte wie verbesserte Lebensqualität und Gesundheitsversorgung als auch Herausforderungen wie Arbeitsplatzverluste und Datenschutzfragen umfassen.

⇨ Darauf wäre ich ja nie gekommen

  • Diese Veränderungen könnten relativ schnell sichtbar werden, da die Technologie sich rasch entwickelt und verbreitet.

⇨ Das stimmt wohl. Also, welche KI meinen wir denn nun?

Diese Antworten hätten wir auch spontan aus dem Mund eine mittelmäßigen Karrierepolitikers erhalten können. Vielleicht hätte sie auch der Lasch-O-Mat oder irgendein anderer Phrasengenerator liefern können. Da muss ich wohl, wieder frei nach Kant, den Mut haben, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen.

ANI, AGI, ASI − KI ist nicht gleich KI

ANI - AGI − ASI, mit diesen drei Akronymen werden gern die Stufen einer erwarteten Entwicklung der künstlichen Intelligenz beschrieben. Dabei wird - Gegenkräfte unberücksichtigt - der folgende Verlauf erwartet.



Die drei aufgeführten Stufen seien im Folgenden kurz charakterisiert.

ANI − Artificial Narrow Intelligence

  • Auf spezifische Aufgaben hin trainierte Modelle, die darin aktuellen menschlichen Fähigkeiten bereits weit überlegen sein können.

  • Das ist die Position auf der die Entwicklung hier und jetzt angekommen ist. Ihr Einfluss wird bereits heute in Ansätzen spürbar, wird sich aber noch deutlich verstärken.

  • ANI wird Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig transformieren. Wir werden positiv wie negativ empfundene Wirkungen spüren, die denen der drei ausgewählten Innovationen gleichkommen, oder sie sogar noch übersteigen werden.

Schon auf dieser Stufe ist eine Technologiefolgenabschätzung eine fast unmögliche Aufgabe. Sie deswegen nicht anzugehen aber wäre ein sträfliches Versäumnis.

AGI − Artificial General Intelligence

  • Das ist der Zustand der populär als “Singularität“ bezeichnet wird. Dann werden Maschinen menschliches Niveau erreichen. Da kein Konsens darüber besteht, wie das genau zu definieren ist, füge ich hinzu "in allen intellektuellen und emotionalen Dimensionen".

  • Damit sollten sie das Niveau einer (seelenlosen) Maschine verlassen haben und zu einer neuen Lebensform mutiert sein, ein Schöpfungsakt also, bei dem wir ein Wesen nach unserem Ebenbild schaffen werden, falls das jemals möglich sein wird. Diese Wesen werden Bewusstsein haben, Rechte erhalten müssen & uns (leider) ähnlich sein.

  • Sie werden genauso klug sein wir ein durchschnittlicher Mensch, aber auch genauso dumm. Sie können dann unsere Partner sein, Assistenten oder Kollegen im Job − aber auch autonome Krieger. Und natürlich werden sie ihre eigene Weiterentwicklung auch selbst in die Hand nehmen, sich eigenständig reproduzieren können.

ASI − Artificial Super Intelligence

  • Eine ASI, vermutlich ein “Wesen“, steht per Definition weit über dem Niveau der menschlichen Intelligenz. Da wir kein Vorbild für solche Wesen haben, verzichte ich hier lieber auf eine weitere Beschreibung.

  • Völlig unklar ist auch, ob dieser Zustand grundsätzlich erreichbar ist. Ob er überhaupt wünschenswert ist, ist eine andere philosophische Frage. Einige anerkannte KI-Experten und erfolgreiche Buchautoren meinen, dass das nach oben offene ASI-Universum sehr schnell erreicht werden kann, sobald wir einmal auf dem AGI-Niveau angekommen sein werden. Dafür steht aber in der obigen Graphik der unschuldige Begriff "unknown breakthroughs". Es sind also noch fundamentale technische und vielleicht auch erkenntnistheoretische Fortschritte zu erreichen, deren Natur wir nicht einmal erahnen können, bevor überhaupt die AGI-Stufe erreicht werden kann.

  • Seit Jahrzehnten warnen prominente KI-Entwickler und Forscher davor, dass ihre eigenen Arbeiten diesen Homunkulus schaffen, der nach einem Heureka-Moment “It‘s alive, it’s alive!“ die Weltherrschaft übernehmen und uns alle vernichten oder zumindest derart nachlässig behandeln könnte, wie wir heute die uns umgebende Tierwelt der Wildnis.

    Ja, wenn diese Superwesen in der gleichen Weise sozialisiert sein werden, wie wir Menschen es im Verlauf unserer Evolution geworden sind, dann ist das eine valide Option, wenngleich keine sehr angenehme. Dieses Schreckensszenario ist natürlich reine Spekulation. Möglicherweise hat eine echte Superintelligenz aber auch ganz andere Prioritäten, Vielleicht wäre sie sogar die Rettung vor uns selbst.

ANI − Angespannt im Hier und Jetzt

Jobs − Werden wir alle arbeitslos werden?

Hören wir zunächst die Stimmen der anderen. Was sagen unsere anerkannten KI-Experten zu diesem Thema?

Raj Mukherjee

"Wir hatten es alles schon einmal.

Jede technologische Revolution hat zum Verlust von Arbeitsplätzen geführt.

Aber es entstehen neue Arbeitsplätze, und im Rahmen dieser KI-Revolution werden viele neue Arbeitsplätze entstehen."

Raj Mukherjee vertritt damit die allgemein vorherrschende Meinung. Nach diesem rosigen Zukunftsbild werden sich Menschen und Robots die Arbeit nach ihren Fähigkeiten aufteilen: interessante, erfüllende Aufgaben behalten wir Menschen uns vor. Alles ätzend Langweilige, Repetitive, Mechanische verbleibt bei den Bots.

Dieser Utopie sind allerdings spontan drei Caveats entgegen zu halten. Denn …

  • Schon heute hat die KI einen festen Platz in der Kreativ-Szene.

  • Gerade für einfache Aufgaben ist der Mensch einfach noch billiger zu haben.

  • Bei einigen “Bullshit Jobs“ mag man sich schlicht nicht eingestehen, dass das auch Maschinen leisten können. Hier muss noch ein Mensch “seinen Kopf hinhalten“.

Vielleicht wird die Entwicklung diesmal aber auch anders verlaufen.

Nach einer Analyse im Auftrag des IWF werden weltweit 40% der Jobs von KI “betroffen“ sein. In entwickelten Wirtschaften sollen es sogar rund 60% sein. Klassische Industriejobs werden sich danach durch den Einsatz von KI kaum ändern.

Akademiker und Büro-Angestellte im verarbeitenden Gewerbe aber werden von KI unterstützt werden. Dadurch werden weniger von ihnen benötigt werden. Andere Unternehmensaufgaben können komplett von KI übernommen werden.

Fundiertes und über jahrelanges Studium mühsam erworbenes Wissen ist dann keine Job-Garantie mehr. Solange die Schwelle zur AGI nicht überschritten wird, werden sicherlich an vielen Stellen unserer Wirtschaft und Verwaltung noch menschliche Arbeitskräfte benötigt werden. Es werden weniger sein als bisher. Dafür werden andererseits einige neue Stellen entstehen.

Nehmen wir aber an, dass AGI tatsächlich irgendwann einmal erreicht wird, dann wird es zwar noch etwas dauern. Aber irgendwann sind wir dann alle unsere Jobs los.

Inequality - Sie hat das Potential Gesellschaften zu sprengen

Hören wir zunächst die Stimmen der anderen. Was sagen unsere anerkannten KI-Experten zu diesem Thema?

Sam Altman


"Ich glaube, dass KI die größte Kraft für die wirtschaftliche Entfaltung sein wird.

Wir werden viel mehr Menschen reich werden sehen, als je zuvor."

Was wird aus den Anderen, stellt sich mir unwillkürlich die Frage, die “left behinds“, wie werden sie leben?

Ohne weitreichende Eingriffe in unser Lebens- und Wirtschaftsmodell wird die Anwendung der künstlichen Intelligenz vermutlich den ohnehin vorherrschenden Trend zu wirtschaftlicher Ungleichheit (Inequality) noch verstärken. Diese Ungleichheit wächst üblicherweise in politisch und wirtschaftlich ruhigen Zeiten an.

Sie kann ohne Intervention extreme Ausmaße annehmen und nur durch katastrophal einschneidende Ereignisse wie Seuchen, Kriege oder Revolutionen wieder reduziert werden. Dabei wächst die wirtschaftliche Ungleichheit innerhalb nationaler Gesellschaften wie auch unter den Nationen, wenn diese nicht mit Mitteln dagegen ankämpfen, die von überzeugten Markwirtschaftlern als unfair empfunden werden.

Extreme wirtschaftlicher Ungleichheit kann zu sozialen Unruhen und wirtschaftlicher Ineffizienz führen. Sie hat das Potential Gesellschaften zu sprengen. Wie bei früheren Innovationen wird es politische Antworten auf solche technik-induzierten Verwerfungen geben müssen.

Im Unterschied zu früher wird uns allerdings wenig Zeit zur Verfügung stehen, die Herausforderung zu adressieren. Wir haben sie noch nicht einmal allgemein als Gefahr erkannt.

Veränderungen in Kultur & Gesellschaft

"The future is here − it is just not equally distributed" wird der Science Fiction Autor William Gibson gerne zitiert. Das heißt, wenn wir wissen wollen, wie es in (naher) Zukunft bei uns aussehen wird, müssen wir uns nur umsehen. In einigen, wenigen avantgardistischen Ecken und Winkeln unserer Gesellschaft werden wir fündig werden und Anschauungsmaterial für einen Blick in unsere eigene Zukunft entdecken.

Yann LeCun, KI-Experte bei Meta sieht in der KI die Zukunft der Kommunikation: "Wir werden ständig mit diesen KI-Assistenten sprechen. Unsere gesamte digitale Kommunikation wird durch KI-Systeme vermittelt werden." Bleibt dann die ohnehin schon schwierige Kommunikation zwischen Menschen dabei auf der Strecke? Nun, sie wird in diesem Szenario zwangsläufig seltener stattfinden. Hoffentlich kommen wir dann nicht aus der Übung.

Scott Adams, der bekannte Autor der beliebten Dilbert-Cartoons sieht gar das Geschlechterverhältnis gestört. Aus seiner (männlichen) Perspektive werden sich Männer in Zukunft eher pflegeleichten digitalen Freundinnen zuwenden: “The girlfriend Singularity is here. Human women had a good run.“

Das mag uns noch reichlich weit hergeholt erscheinen. Dennoch unsere Interaktion wird sich verändern. Eher fragwürdige Angebote in diesem Kontext gibt es bereits. Offenbar steht uns eine Reise ins Unbekannte bevor.

Eine weitere Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen ist die wie wir mit dem Verlust eines Berufs umgehen werden, der uns ausfüllt, stolz macht, aus dem wir unser Selbstwertgefühl beziehen. Ist ein Leben ohne Aufgabe sinnlos? Wird sinkender Selbstwert durch Job-Verlust zu einem Massenphänomen werden?

Das vieldiskutierte bedingungslose Grundeinkommen wird möglicherweise notwendig werden. Solange unsere gesellschaftliche Stellung aber berufszentriert ist, und ebenso wie unser Selbstwert darüber definiert wird, wird es das Problem des Jobverlusts jedoch nicht lösen.

In unserem Leben werden andere Werte Bedeutung erlangen müssen. Vielleicht sollten wir uns nach Existenzen in anderen, fremden Kulturen oder am Rande unserer eigenen Gesellschaften umsehen, für die Arbeit nie der Lebensmittelpunkt war und die dennoch in der Lage waren ein gutes Leben zu führen.

Wir werden den Sinn des Lebens neu definieren müssen.

Ausblick auf AGI & ASI - Welche Entwicklungen werden erwartet?

Hier betreten wir unbekanntes Terrain. Es beginnt das Gebiet der puren Spekulation. Diese haben bereits einige namhafte KI-Experten für mich unternommen. Lassen wir einmal vier von Ihnen zu Wort kommen.

Elon Musk


"Wir werden zum ersten Mal etwas haben, das intelligenter ist als der intelligenteste Mensch.

Es ist schwer zu sagen, wann genau das sein wird, aber es wird ein Punkt kommen, an dem keine Arbeit mehr nötig ist."

Yuval Noah Harari

"Möglicherweise sprechen wir über das Ende der menschlichen Geschichte - das Ende der vom Menschen beherrschten Periode."


Paul Christiano


"Ich denke, es besteht eine 10- bis 20-prozentige Chance, dass die KI die Macht übernimmt, wobei viele, die meisten Menschen sterben werden."

Geoffrey Hinton

Die Menschheit ist nur eine vorübergehende Phase der evolutionären Intelligenz.

Wird eine Artificial Super Intelligence (ASI) mit der Menschheit verfahren, wie wir heute mit der Tierwelt?

Ist sie gar für den aus dem Fermi-Paradox resultierenden "Großen Filter" verantwortlich, der bisher verhindert hat, dass Außerirdische mit uns in Kontakt traten (weil sie allesamt von ihrer eigenen KI bereits vorher ausgeschaltet worden sind).

Es stellen sich also spannende philosophische Fragen. Persönlich halte ich es eher mit Kai-Fu Lee, Buchautor, Ex-Google China Chef & Gründer des Start-ups 01.AI: "Die Singularität ist noch lange nicht unser Problem".

Aber wir müssen uns mit den unmittelbaren Folgen eines breiten Einsatzes künstlicher Intelligenz befassen, mit Vermögenskonzentrationen, möglicherweise Massenarbeitslosigkeit und mit dem Verlust eines natürlichen Selbstverständnisses, dass auf dem eigenen Schaffen von Werten beruhte.

Wenn wir tatsächlich an der Schwelle einer Entwicklung angekommen sind, die die Welt in der wir arbeiten und leben nachhaltig verändern wird, ist es jetzt an der Zeit sich Gedanken um die Folgen für Jobs, Kultur und Gesellschaft zu machen.

Wie im Kielwasser der großen Innovationen der Vergangenheit wird es politische Antworten auf die neuen wirtschaftlichen Konstellationen geben müssen.

Anders als früher wird uns allerdings nicht viel Zeit für eine angemessene Reaktion bleiben. Und es wird politische Antworten geben, ob wir jetzt handeln oder nicht. Es wäre daher gut, sich jetzt über das "wie" Gedanken zu machen, um wenigstens die Chance einer Steuerung der Entwicklung zu haben.

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