Horst Walther

My near philosophical musings about the world in general its problems and possible ways out.

2025-08-02

Ein vom Krieg gezeichnetes Land wird zum Tech-„Tiger“

Vietnams bemerkenswerter Aufstieg

1 Einleitung

Ist Vietnam das neue Silicon Valley Asiens? Die Frage mag übertrieben klingen, doch sie deutet auf ein reales Phänomen hin: Vietnams erstaunlichen Aufstieg aus der Asche des Krieges zu einem dynamischen „kleinen asiatischen Tiger“. In den letzten Jahrzehnten hat sich Vietnam von einem der ärmsten Länder der Welt zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften entwickelt. Wir wollen hier die Wurzeln von Vietnams Erfolg und untersuchen, wie Geschichte, Kultur, Geografie und äußere Einflüsse zusammenwirkten, um einen Wirtschaftsboom zu befeuern. Unser Fokus liegt dabei auf dem aufstrebenden Software- und Technologiesektor. Unser Ziel ist es, die Geschäftswelt über die bemerkenswerten Entwicklungen in Vietnam zu informieren, einem Land, das bis vor Kurzem von vielen übersehen wurde. Dabei werden wir feststellen, dass die Bezeichnung Vietnams als „das nächste Silicon Valley“ zwar übertrieben sein mag, die Entwicklung des Landes in Technologie und Innovation jedoch durchaus Beachtung verdient.

2 Vom Krieg zur Reform: Vietnams wirtschaftliche Transformation

Die Nachkriegslage Vietnams in den späten 1970er und 1980er Jahren war katastrophal. Nach dem jahrzehntelangen Vietnamkrieg (der 1975 endete) und weiteren Konflikten lag die Wirtschaft in Trümmern – agrarisch geprägt, isoliert und in Armut versunken unter einem streng zentralisierten System. Anfang der 1980er Jahre stand Vietnam am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, mit einem Pro-Kopf-BIP von unter 300 US-Dollar und chronischem Mangel an Nahrungsmitteln und anderen Gütern. Angesichts dieser Krise traf die vietnamesische Führung eine wegweisende Entscheidung: 1986 leitete sie die Đổi Mới- Reformen („Erneuerungsreformen“) ein, um den Übergang von einer Planwirtschaft sowjetischen Stils zu einer „sozialistisch orientierten Marktwirtschaft“ zu vollziehen. Die Đổi Mới-Reformen führten Marktanreize ein, förderten private Unternehmen und öffneten Vietnam für ausländischen Handel und Investitionen. 1987 verabschiedete Vietnam sein erstes Gesetz über ausländische Investitionen und signalisierte damit, dass ausländische Unternehmen willkommen waren.

Vietnam gab sich damit nicht zufrieden. Die Regierung ergriff mutige Maßnahmen: Sie strich über 120.000 Stellen im öffentlichen Sektor und reduzierte die Zahl der Provinzen von 63 auf 34, um die Abläufe zu rationalisieren und die Flexibilität zu erhöhen. Außerdem gibt es eine strategische Abkehr von staatlichen Unternehmen hin zur Stärkung des privaten Sektors. Die IT- und Softwarebranche erhält starke Unterstützung, unter anderem durch Steuerbefreiungen und andere Anreize zur Förderung von Innovationen.

Die Ergebnisse dieser Reformen waren geradezu dramatisch. In den darauffolgenden Jahrzehnten erlebte Vietnams Wirtschaft dank exportgetriebenem Wachstum und Industrialisierung einen Aufschwung. Das Prokopf-BIP hat sich seit den späten 1980er Jahren etwa verzwanzigfacht. Einst ein Land, in dem die große Mehrheit der Bevölkerung in extremer Armut lebte, entwickelte sich Vietnam zu einem Land mit mittlerem Einkommen und einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Die Armutsquote sank von etwa 58 % in den frühen 1990er Jahren auf rund 2 % im Jahr 2021. Damit konnten über 40 Millionen Vietnamesen der Armut entkommen. Ein solch historisch schneller Rückgang der Armut – das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele der UN ein Jahrzehnt früher – wurde von der Weltbank als „außergewöhnlich“ gelobt. Kurz gesagt: Vietnam erhob sich durch mutige politische Veränderungen und die Integration in den Weltmarkt aus den Trümmern des Krieges zu wirtschaftlichem Erfolg.

3 Kulturelle und demografische Katalysatoren

Dieser Erfolg beruht auf mehreren internen Faktoren, die in der Kultur und Demografie Vietnams verwurzelt sind. Erstens hat Vietnam massiv in seine Bevölkerung investiert. Die Bevölkerung des Landes beträgt mittlerweile rund 100 Millionen – das entspricht in etwa der Größenordnung Deutschlands – und, was besonders wichtig ist, mehr als die Hälfte der Vietnamesen ist unter 35 Jahre alt. Diese junge Erwerbsbevölkerung ist eine demografische Dividende, die das Wachstum ankurbelt. Die Regierung erkannte, wie wichtig Humankapital ist, und machte die Grundschulbildung frühzeitig allgemein und verpflichtend. Dadurch wurde eine Alphabetisierungsrate von über 95 % erreicht. Vietnams Schwerpunkt auf Bildung (ein Merkmal, das von konfuzianischen Kulturwerten beeinflusst ist) bedeutet, dass die Erwerbsbevölkerung relativ qualifiziert und hochgebildet ist und bereit ist, in der Fertigung oder im Dienstleistungssektor zu arbeiten, wo grundlegende technische Fertigkeiten und Lernfähigkeit erforderlich sind. Tatsächlich haben umfassende Investitionen in Bildung und ein Schwerpunkt auf Wissenschaft und Technik einen Talentpool geschaffen, der für Investoren attraktiv und für eine sich schnell verändernde Wirtschaft geeignet ist.

Vietnams Kultur der Widerstandsfähigkeit und Arbeitsmoral, die in Jahren der Not geprägt wurde, wird oft als immaterieller Faktor für seinen Aufstieg genannt. Die Bevölkerung zeigte Unternehmergeist, nachdem Marktreformen private Unternehmen erlaubten – heute tragen Millionen kleiner Unternehmen zur Wirtschaft bei. In sozialer Hinsicht war Vietnams Entwicklung relativ inklusiv: Frauen sind fast genauso häufig erwerbstätig wie Männer, der Geschlechterunterschied ist geringer als in vielen anderen Ländern. Vietnam ist ethnisch vielfältig (mit über 50 Minderheitengruppen neben der Kinh-Mehrheit), hat aber im Allgemeinen den sozialen Zusammenhalt im Hinblick auf die nationalen Entwicklungsziele bewahrt. Diese Vielfalt bedeutet, dass eine Vielzahl kultureller Perspektiven und regionaler Stärken zur Wirtschaft beitragen können. So ist beispielsweise die Förderung der Kreativität aller Gruppen – einschließlich ethnischer Minderheiten und Unternehmerinnen – Teil der vietnamesischen Strategie für nachhaltiges Wachstum. Regierung und Bildungseinrichtungen haben zudem begonnen, die vietnamesische Diaspora (über 6 Millionen Menschen im Ausland) als Quelle für Fachwissen und Innovation zu nutzen. Viele Auslandsvietnamesen haben sich im Silicon Valley oder anderen globalen Zentren Hightech-Kompetenzen angeeignet, und Vietnam ermutigt sie, sich wieder mit dem heimischen Start-up-Ökosystem zu verbinden. Kurz gesagt: Vietnams junges Humankapital, die kulturelle Betonung des Lernens und der integrative Entwicklungsansatz bilden eine solide Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg.

4 Globale Integration und Auslandsinvestitionen

Externe Einflüsse waren für den Aufstieg Vietnams gleichermaßen entscheidend. Nach Đổi Mới schwenkte Vietnam auf ein exportorientiertes Wachstumsmodell um und warb aktiv um ausländischen Handel und ausländische Investitionen. Das Land integrierte sich in die Weltwirtschaft, indem es 1995 der ASEAN beitrat, bilaterale Handelsabkommen unterzeichnete (darunter ein entscheidendes Handelsabkommen mit den USA im Jahr 2000) und schließlich 2007 der WTO beitrat. Heute ist Vietnam Vertragspartei zahlreicher Freihandelsabkommen – vom CPTPP bis zu einem FTA mit der EU –, die ihm günstigen Zugang zu wichtigen Märkten verschaffen. Diese globale Integration hat hohe ausländische Direktinvestitionen (ADI) angezogen , insbesondere da multinationale Hersteller nach Alternativen zu China suchen. Vietnams strategische Lage in Ostasien, die Nähe zu globalen Lieferkettennetzwerken und sein stabiles politisches Umfeld haben es zu einem erstklassigen Ziel für Investoren gemacht, die einen „China+1“-Standort suchen. Investoren aus Japan, Südkorea, Singapur, den USA und Europa haben Kapital in vietnamesische Fabriken und Immobilien investiert. Die ausländischen Direktinvestitionen erreichten in den letzten Jahren jährlich etwa 25 Milliarden US-Dollar und werden voraussichtlich auch weiterhin stark bleiben.

Die Auswirkungen ausländischer Investitionen zeigen sich in Vietnams boomendem Fertigungssektor. Unternehmen wie Samsung, LG und Intel haben in Vietnam große Produktionsstätten errichtet. Vietnam ist heute einer der weltweit führenden Elektronikexporteure – es ist zu einem der größten Hersteller von Smartphones und Elektronikgeräten geworden und wird nur von wenigen Giganten wie China übertroffen. Das Land ist außerdem führend in den Bereichen Textilien, Schuhe und Agrarexporte (es ist der zweitgrößte Kaffeeexporteur der Welt ). Entscheidend ist, dass ausländische Unternehmen nicht nur Geld, sondern auch Know-how, Technologietransfer und Zugang zu globalen Märkten mitgebracht haben, was Vietnam geholfen hat, in der Wertschöpfungskette aufzusteigen.

Der Einfluss von außen geht über Unternehmen hinaus. Internationale Entwicklungshilfe und Expertise (von Weltbank, UN usw.) unterstützten Vietnams Transformation in den 1990er und 2000er Jahren. In jüngerer Zeit fungiert, wie erwähnt, die vietnamesische Gemeinschaft im Ausland – darunter auch erfolgreiche Technologieunternehmer im Ausland – als Brücke, berät Start-ups im Inland und kehrt manchmal zurück, um Unternehmen zu gründen. Im Wesentlichen hat Vietnams Weltoffenheit es dem Land ermöglicht, ausländisches Kapital und Wissen zu nutzen und diese gleichzeitig zum nationalen Nutzen zu nutzen. Diese Mischung aus innerem Antrieb und externer Vernetzung ist ein Markenzeichen von Vietnams Wachstumsgeschichte.

5 Vietnam: Der neue asiatische Tiger?

Aufgrund der oben genannten Faktoren wird Vietnam oft als aufstrebende „Tigerwirtschaft“ in Asien bezeichnet. Der Begriff „Asiatischer Tiger“ beschrieb ursprünglich die wachstumsstarken Volkswirtschaften Singapurs, Taiwans, Südkoreas und Hongkongs. Aufgrund seines anhaltend hohen Wachstums wird Vietnam heute mit diesen früheren Wunderländern verglichen. Tatsächlich wird Vietnam häufig zusammen mit anderen schnell wachsenden Volkswirtschaften Südostasiens als „Tigerjunges“ zusammengefasst. Die Zahlen bestätigen dies: Vietnams BIP-Wachstum lag in den letzten zwei Jahrzehnten (abgesehen von einer kurzen pandemiebedingten Verlangsamung) im Schnitt bei etwa 6–7 %. Selbst im Jahr 2022 erholte sich das Wachstum auf 7,1 % und die Weltbank prognostiziert für 2025–26 ein jährliches Wachstum von etwa 6,5–6,8 % . Dieses Tempo gehört zu den höchsten der Welt und geschieht vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Weltwirtschaft.

Um dies ins rechte Licht zu rücken, betrachten wir Deutschland – eine viel weiter entwickelte Volkswirtschaft mit ähnlicher Bevölkerungsgröße. Während Vietnam boomt, stagniert Deutschlands Wirtschaft im Vergleich dazu. Tatsächlich war Deutschlands Produktion im Jahr 2024 in etwa gleich wie 2019 (Netto-Nullwachstum über fünf Jahre), und die Aussichten für 2025 „signalisieren anhaltende Stagnation“ und markieren Deutschlands längste Phase ohne Wachstum seit Jahrzehnten. Deutsche Experten prognostizieren für 2025 praktisch ein BIP-Wachstum von 0 % (nach nahezu null in den Jahren 2023–24). Vietnam hingegen wuchs selbst während der Pandemiejahre um über 5 % und fand schnell zu einem hohen Wachstumspfad zurück. Dieser Kontrast verdeutlicht, warum Vietnam Aufmerksamkeit erregt: In einer Zeit, in der viele fortgeschrittene Volkswirtschaften mit einer alternden Bevölkerung und schleppendem Wachstum konfrontiert sind, bietet Vietnam jugendliche Dynamik und Expansion. Seine Wirtschaft ist jetzt die 37. - größte der Welt (nominales BIP) und könnte noch viel weiter wachsen, wenn das hohe Wachstum anhält. Einige Analysten gehen sogar davon aus, dass Vietnam im nächsten Jahrzehnt etablierte Volkswirtschaften wie Singapur an Größe übertreffen könnte, wenn sich der Trend fortsetzt.

Vietnam als „das neue Silicon Valley“ zu bezeichnen, ist eine Vereinfachung – Vietnam hat immer noch ein deutlich niedrigeres Einkommensniveau und eine andere Wirtschaftsstruktur –, doch der Kern dieser Bezeichnung drückt Vietnams wachsende Rolle als regionales Technologie- und Innovationszentrum aus. Die Bezeichnung „kleiner asiatischer Tiger“ wäre vielleicht treffender: Dank einer Kombination aus historischer Widerstandsfähigkeit, günstiger demografischer Entwicklung, kultureller Betonung der Bildung und globaler wirtschaftlicher Integration hat sich Vietnam eindeutig in die Riege der dynamischsten Volkswirtschaften Asiens eingereiht .

6 Ein boomender Technologie- und Softwaresektor

Einer der deutlichsten Indikatoren für Vietnams Fortschritt ist das schnelle Wachstum seines Technologie- und Softwaresektors. In den letzten Jahren wurde Vietnam zunehmend als aufstrebendes Technologiezentrum bezeichnet – manchmal auch als potenzielles „Silicon Valley Südostasiens“ (oder „Silicon Delta“). Die vietnamesische Regierung hat der digitalen Wirtschaft ausdrücklich Priorität als Wachstumssäule eingeräumt. Richtlinien wie die Nationale Strategie für die digitale Wirtschaft zielen darauf ab, Vietnam bis 2030 als globales IT-Zentrum zu positionieren . Diese Unterstützung auf höchster Ebene, kombiniert mit Vietnams Kostenvorteilen und seinem Talentpool, hat ein beeindruckendes Wachstum der Technologiebranche beflügelt.

Laut der Vietnam Software Association (VINASA) erwirtschaftete Vietnams Software- und IT-Dienstleistungsbranche im Jahr 2022 einen Umsatz von über 4,5 Milliarden US-Dollar und wächst jährlich um 10–15 %. Das Land hat sich dank mehrerer wichtiger Stärken zu einem beliebten Ziel für Software-Outsourcing und Offshore-Entwicklung entwickelt:

  • Qualifizierter Talentpool: Vietnam bringt jedes Jahr mehr als 100.000 IT-Absolventen hervor , viele mit fundierten Kenntnissen in Programmierung, KI, Cloud Computing und anderen gefragten Technologien. Die technische Ausbildung boomt, und vietnamesische Ingenieure verfügen oft über gute Englischkenntnisse, was bei der Betreuung internationaler Kunden hilfreich ist. Diese jungen Tech-Mitarbeiter wollen sich beweisen, ähnlich wie Indien oder China in früheren Jahrzehnten.

  • Kostenwettbewerbsfähigkeit: Softwareentwicklungsdienste kosten in Vietnam 30–50 % weniger als in westlichen Ländern. Beispielsweise verdient ein Entwickler mittlerer Ebene in Vietnam möglicherweise nur ein Drittel des Gehalts eines Kollegen in den USA, bei vergleichbaren Fähigkeiten und Qualitäten. Diese Erschwinglichkeit ohne große Qualitätseinbußen macht Vietnam für Outsourcing-Verträge äußerst attraktiv.

  • Staatliche Unterstützung und Infrastruktur: Die Regierung setzt nicht nur Visionen wie das Ziel eines IT-Hubs bis 2030, sondern setzt diese auch in die Tat um – durch die Gründung von Technologieparks, Investitionen in die IKT-Infrastruktur und Steuererleichterungen für Technologieinvestitionen. Internetzugang ist weit verbreitet und günstig (dank hoher Infrastrukturinvestitionen werden sogar ländliche Gebiete angeschlossen). Darüber hinaus belegt Vietnam in globalen Indizes für Outsourcing-Attraktivität (wie dem Global Services Location Index von AT Kearney) hohe Plätze, was die Verbesserung der Geschäftsfreundlichkeit im Technologiebereich widerspiegelt.

  • Geschäftsökosystem und Investitionen: Im letzten Jahrzehnt ist Vietnams Start-up-Ökosystem aufgeblüht. Im Jahr 2024 gab es in Vietnam über 4.000 Start-ups , darunter mindestens zwei „Einhörner“ (Start-ups mit einem Wert von über 1 Milliarde US-Dollar) und rund 11 weitere Unternehmen mit einem Wert von über 100 Millionen US-Dollar. Bahnbrechende Technologieunternehmen wie die VNG Corporation (Online-Gaming und digitale Inhalte) erreichten den Status eines „Einhorns“, gefolgt von Fintech-Unternehmen wie MoMo (E-Payments) und VNPay sowie dem Blockchain-Gaming-Entwickler Sky Mavis (bekannt für das Spiel Axie Infinity). Die Präsenz dieser hochwertigen Start-ups zeigt, dass Vietnam nicht nur Outsourcing betreibt, sondern auch eigene innovative Produkte und Plattformen entwickelt. Unterstützt wird dies durch Hunderte von Inkubatoren, Accelerators, Coworking-Spaces und VC-Fonds in Vietnams Großstädten, die neue Technologieunternehmen fördern.

Zusammen haben diese Elemente Vietnam zu einem aufstrebenden Stern in der Softwareentwicklung und IT gemacht. In einigen Rankings ist das Land nach Indien bereits Asiens zweitgrößter Software-Outsourcing-Standort und bedient Kunden weltweit. Und es steigt in der Wertschöpfungskette auf: von einfachen Programmierprojekten vor einem Jahrzehnt bis hin zu anspruchsvollen Aufgaben in den Bereichen künstliche Intelligenz, Fintech und intelligente Fertigung. Ein aktueller Bloomberg-Bericht betonte, dass Vietnams Ambitionen in zukunftsweisenden Bereichen wie KI teilweise von seinen wachsenden Technologie-Champions abhängen. Kurz gesagt: Vietnams Technologiesektor boomt im Inland und gewinnt weltweit an Anerkennung.

Lassen Sie uns den Zustand des vietnamesischen Hightech-Sektors anhand zweier Beispiele veranschaulichen.

7 FPT Corporation: Ein einheimischer Technologieriese

Keine Diskussion über Vietnams Softwaresektor ist vollständig, ohne die FPT Corporation zu erwähnen, das größte und einflussreichste Technologieunternehmen des Landes. FPT wurde 1988, kurz nach den Đổi-Mới-Reformen, gegründet und hatte bescheidene Anfänge (der ursprüngliche Name war „Food Processing Technology“, was darauf hindeutet, dass sich der Schwerpunkt schnell auf IT verlagerte). Im Laufe der Jahrzehnte wuchs FPT parallel zur vietnamesischen Wirtschaft und ist heute ein einheimisches multinationales Kraftpaket für Technologiedienstleistungen. FPT Software, der wichtigste IT-Zweig des Konglomerats, beschäftigt mittlerweile über 27.000 Fachkräfte in 28 Ländern weltweit. Im Jahr 2022 verzeichnete FPT Software einen Umsatz von rund 803 Millionen US-Dollar – eine enorme Zahl für ein vietnamesisches Unternehmen – und das Unternehmen wächst weiterhin rasant.

FPT bietet ein breites Spektrum an Dienstleistungen an, darunter Softwareentwicklung, Systemintegration, Beratung zur digitalen Transformation, KI- und Datenanalyselösungen, Cloud-Dienste und mehr. Das Unternehmen verfügt über starke Forschungs- und Entwicklungskapazitäten und ist Partnerschaften mit globalen Technologiegiganten wie Microsoft, AWS und IBM eingegangen. Beeindruckenderweise zählt FPT 89 Fortune Global 500-Unternehmen zu seinen über 1.000 Kunden weltweit. Mit anderen Worten: Viele der weltweit größten Unternehmen (aus den Bereichen Luftfahrt, Finanzen, Gesundheitswesen, Fertigung usw.) vertrauen kritische IT-Projekte Teams in Vietnam an. Dies spricht Bände über die Entwicklung des vietnamesischen Technologiesektors.

Der Erfolg von FPT hatte einen Multiplikatoreffekt auf Vietnams Technologie-Ökosystem. Er zeigte, dass ein vietnamesisches Unternehmen auf Weltklasseniveau konkurrieren kann, was zahllose Start-ups und IT-Absolventen inspirierte. FPT investiert zudem aktiv in Bildung (unterhält eine Universität und Technologieinstitute), um den Talentpool zu stärken. In Anerkennung seiner Führungsrolle hat Gartner FPT als führenden IT-Dienstleister im asiatisch-pazifischen Raum ausgezeichnet. Die Geschichte von FPT spiegelt im Wesentlichen die Geschichte Vietnams wider: von sehr bescheidenen Anfängen bis hin zum Wettbewerb auf der Weltbühne durch Vision, Kompetenzentwicklung und Integration in den Weltmarkt. Für die Geschäftswelt ist FPT eine Fallstudie dafür, wie Vietnam Unternehmen hervorbringen kann, die nicht nur kostengünstige Outsourcer, sondern echte Innovationspartner sind.

8 Finative: Ein neuer Fintech-Innovator

Am anderen Ende des Spektrums, nicht nur von FPTs gigantischer Größe, stehen aufstrebende Start-ups wie Finative – ein Beispiel für die neue Welle des Tech-Unternehmertums in Vietnam. Finative ist ein 2021 gegründetes Fintech- und IT-Beratungs-Start-up mit Sitz in Hanoi . In nur wenigen Jahren ist Finative auf etwa 50–200 Mitarbeiter angewachsen und hat sich mit der Bereitstellung digitaler Lösungen für Banken und Finanzunternehmen eine Nische geschaffen. Finative beschreibt seine Mission wie folgt: „Wir helfen Banken und Fintech-Unternehmen in der gesamten Region Asien-Pazifik und Europa, die digitale Transformation durch maßgeschneiderte IT-Lösungen zu beschleunigen.“ Das bedeutet, dass ein Unternehmen in Vietnam fortschrittliche Software nicht nur für inländische Banken, sondern auch für internationale Kunden entwickelt und implementiert – eine bemerkenswerte Tatsache, die Vietnams globale Reichweite im Bereich der technischen Dienstleistungen selbst auf Start-up-Ebene unterstreicht.

Finatives Arbeit umfasst moderne Banktechnologien wie die Integration von Kernbankensystemen, Mobile-Banking-Apps und die Nutzung von Plattformen wie Temenos (einer beliebten globalen Kernbankensoftware). Im Wesentlichen unterstützt das Unternehmen traditionelle Banken bei der Modernisierung ihrer Technologieplattformen und der digitalen Kundenerfahrung. Dass Finative solche Hightech-Dienstleistungen von Vietnam aus an Kunden in ganz Europa exportieren kann, zeigt die Glaubwürdigkeit, die vietnamesische Technologieunternehmen erlangt haben. Es unterstreicht auch den Fintech-Boom in Vietnam: Digitale Zahlungen, Online-Banking und Finanztechnologie sind ein gefragter Sektor, der von einer jungen, technikaffinen Bevölkerung im Inland getragen wird. Dutzende neuer Fintech-Start-ups (in den Bereichen E-Wallets, Online-Kredite usw.) sind entstanden, und Unternehmen wie Finative unterstützen sowohl diese Fintech-Unternehmen als auch etablierte Banken auf ihrem digitalen Weg.

Obwohl Finative im Vergleich zu FPT noch klein ist, verleiht es Vietnams Geschichte Farbe, indem es die unternehmerische Energie im Technologiesektor demonstriert. Gegründet von lokalen Technologieexperten (einige wahrscheinlich mit Auslandserfahrung), repräsentiert Finative die neue Generation vietnamesischer Start-ups, die vom ersten Tag an auf globale Märkte abzielen. Seine Präsenz in Hanois wachsender Technologieszene zeigt zudem, dass Innovation nicht nur auf Ho-Chi-Minh-Stadt (Vietnams Handelshauptstadt) beschränkt ist, sondern landesweit verbreitet ist. Während Vietnam sein Start-up-Ökosystem (mit Inkubatoren an großen Universitäten, Innovationszentren und Veranstaltungen wie dem Techfest) weiterentwickelt, ist mit der Entstehung vieler weiterer „Finatives“ zu rechnen – kleiner Start-ups mit großen Ambitionen, die Welt zu bedienen.

9 Zusammengefasst

Vietnams Entwicklung von einem kriegszerstörten, verarmten Land zu einer florierenden, technologiebasierten Wirtschaft ist eine der beeindruckendsten Entwicklungsgeschichten der jüngeren Geschichte. Die Wurzeln dieses Erfolgs sind vielfältig: eine Geschichte, die Widerstandsfähigkeit und mutige Reformen erforderte, eine Kultur, die Bildung und harte Arbeit wertschätzt, ein demografischer Vorsprung mit einer jungen Bevölkerung und ein kluges Engagement im globalen Handel und bei Investitionen. Vietnam nutzte diese Faktoren, um in den 2000er und 2010er Jahren zu einer Exportmacht im verarbeitenden Gewerbe zu werden – und jetzt, in den 2020er Jahren, nutzt es sie, um in höherwertige Sektoren wie Software, digitale Dienste und Innovation vorzudringen. Die Wirtschaft des Landes boomt weiterhin mit einem Wachstum von etwa 6–7 % und übertrifft damit viele Industrieländer bei weitem.

Ist Vietnam also das neue Silicon Valley? Wahrscheinlich nicht im wörtlichen Sinne – das einzigartige Ökosystem des Silicon Valley ist schwer zu kopieren. Dennoch hat sich Vietnam in Bezug auf pulsierende Technologieaktivitäten und Start-up-Wachstum zweifellos zum Silicon Valley Südostasiens entwickelt. Manche nennen es Asiens nächste Technologie-Grenze oder „Silicon Delta“ und drücken damit die Vorstellung aus, dass Vietnam ein aufstrebendes regionales Technologiezentrum ist. Vietnams Softwareindustrie und Start-up-Szene, vertreten durch Giganten wie FPT und Newcomer wie Finative, zeigen, dass das Land sowohl erstklassige IT-Dienstleistungen anbieten als auch Innovationen im eigenen Land fördern kann.

Für die internationale Geschäftswelt sind die Auswirkungen klar. Vietnam ist nicht länger ein Nebenschauplatz – es bietet Chancen, sei es für Investitionen, Partnerschaften oder die Suche nach Talenten. Die Vision der vietnamesischen Regierung ist es, bis 2030 eine digitale Wirtschaft zu schaffen, die einen signifikanten Anteil am BIP ausmacht, und die aktuellen Trends deuten darauf hin, dass sie auf Kurs ist. Zwar bleiben Herausforderungen bestehen (Infrastrukturbedarf, Qualität der Hochschulbildung, globale Konjunkturschwankungen), aber wenn Vietnam seine Reformen und Investitionen in Humankapital fortsetzt, könnte sich sein „kleiner Tiger“ zu einer noch beeindruckenderen Wirtschaft entwickeln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vietnams Aufstieg ein Beleg dafür ist, wie die Geschichte und Kultur eines Landes in Kombination mit Offenheit für äußere Einflüsse einen Wandel herbeiführen können. Vietnam ist vielleicht noch nicht das nächste Silicon Valley, aber es hat sich seinen Status als boomender asiatischer Technologie- und Wirtschaftsstandort unbestreitbar verdient. Der bemerkenswerte Fortschritt dieses einst übersehenen Landes ist tatsächlich etwas, dem die Welt – und insbesondere Wirtschaftsführer – Aufmerksamkeit schenken sollten. Vietnams Geschichte zeigt, dass selbst aus der dunkelsten Vergangenheit eine strahlende und innovative Zukunft entstehen kann.

10 Quellen

  • Vietnam Briefing – Why Is Vietnam’s Economy Growing So Fast?
  • World Bank – Press Release March 12, 2025: Vietnam Economic Update
  • Vietnam News (VNS) – “Vietnam’s path to sustainable poverty reduction”
  • Intereconomics (German Economic Institute) – “Germany’s economy stagnated…”
  • Coaio (Tech firm blog) – “Overview of Vietnam’s Software Industry”
  • Coaio – “Top Software Firms in Vietnam (2025)”
  • HIMSS – FPT Software Profile
  • LinkedIn – Finative Company Info; Finative Job Posting
  • Vietnam Investment Review – “Innovative startup ecosystem garnering attention”

2025-08-01

From War-Torn Nation to Tech “Tiger”

Vietnam’s Remarkable Rise

1 Introduction

Is Vietnam the new Silicon Valley of Asia? The question may sound exaggerated, but it points to a real phenomenon: Vietnam’s astonishing rise from the ashes of war to become a dynamic “little Asian Tiger.” Over the past few decades, Vietnam has transformed from one of the world’s poorest, conflict-torn countries into one of its fastest-growing economies. We here explore the roots of Vietnam’s success – examining how history, culture, geography, and outside influences converged to fuel an economic boom. Our focus however is on the burgeoning software and tech sector. Our goal is to enlighten the business community about the remarkable developments in Vietnam, a country that until recently many might have overlooked. In doing so, we will see that while dubbing Vietnam “the next Silicon Valley” might be hyperbolic, the nation’s trajectory in technology and innovation is certainly worth paying attention to.

2 From War to Reform: Vietnam’s Economic Transformation

Vietnam’s post-war situation in the late 1970s and 1980s was dire. After the decades-long Vietnam War (ending in 1975) and additional conflicts, the economy lay in ruins – agrarian, isolated, and mired in poverty under a strict centralized system. By the early 1980s, Vietnam was on the brink of economic collapse, with per capita GDP under $300 and chronic shortages of food and goods. Faced with this crisis, the Vietnamese leadership made a pivotal decision: in 1986 they launched the Đổi Mới (“Renovation”) reforms to transition from a Soviet-style planned economy to a “socialist-oriented market economy”. The Đổi Mới reforms introduced market incentives, encouraged private enterprise, and opened Vietnam to foreign trade and investment. In 1987, Vietnam passed its first Law on Foreign Investment, signalling that foreign companies were welcome.

Vietnam didn’t stop there. The government has taken bold steps, cutting over 120,000 public sector roles and reducing the number of provinces from 63 to 34 to streamline operations and boost agility. Also there’s a strategic pivot from state-owned enterprises to strengthening the private sector. The IT and software industries are receiving strong support, including tax exemptions and other incentives to spur innovation.

The results of these reforms have been nothing short of dramatic. Over the subsequent decades, Vietnam’s economy accelerated with export-led growth and industrialization. GDP per capita has increased roughly 20-fold since the late 1980s. Once a country where the vast majority lived in extreme poverty, Vietnam has become a middle-income nation and one of the fastest-growing economies in the world. The poverty rate plunged from about 58% in the early 1990s to around 2% by 2021, meaning over 40 million Vietnamese lifted themselves out of poverty. Such an historically rapid reduction in poverty – meeting the UN Millennium Development Goals a decade early – has been lauded by the World Bank as “exceptional”. In short, Vietnam rose from wartime ashes to economic success through bold policy change and integration into the global market.

3 Cultural and Demographic Catalysts

Several internal factors rooted in Vietnam’s culture and demographics have underpinned this success. First, Vietnam has invested heavily in its people. The country’s population is now about 100 million – roughly the same order of magnitude as Germany’s – and importantly, more than half of Vietnamese are under the age of 35. This young workforce is a demographic dividend fuelling growth. Recognizing that human capital is key, the government made primary education universal and compulsory early on, achieving a literacy rate above 95%. Vietnam’s emphasis on education (a trait influenced by Confucian cultural values) means the labour force is relatively skilled and highly literate, ready to work in manufacturing or services where basic technical skills and learning ability are required. In fact, broad education investments and a focus on science and engineering have created a talent pool that is attractive to investors and suitable for a fast-changing economy.

Vietnam’s culture of resilience and work ethic, forged through years of hardship, is often cited as an intangible factor in its rise. The population has shown an entrepreneurial spirit once market reforms allowed private business – today millions of small businesses contribute to the economy. Socially, Vietnam’s development has been relatively inclusive: women participate in the labour force nearly as much as men, a smaller gender gap than in many countries. Ethnically, Vietnam is diverse (with 50+ minority groups alongside the Kinh majority), but the country has generally maintained social cohesion around national development goals. This diversity means a variety of cultural perspectives and regional strengths can contribute to the economy. For example, harnessing the creativity of all groups – including ethnic minorities and women entrepreneurs – has been part of Vietnam’s strategy for sustainable growth. The government and educational institutions have also begun tapping the Vietnamese diaspora (over 6 million people abroad) as a source of expertise and innovation. Many overseas Vietnamese have attained high-tech skills in Silicon Valley or other global hubs, and Vietnam is encouraging them to connect back with the domestic start-up ecosystem. In short, Vietnam’s youthful human capital, cultural emphasis on learning, and inclusive approach to development have provided a strong foundation for economic success.

4 Global Integration and Foreign Investment

External influences have been equally critical to Vietnam’s rise. After Đổi Mới, Vietnam pivoted to an export-oriented growth model and actively courted foreign trade and investment. The country integrated into the global economy through joining ASEAN in 1995, signing bilateral trade agreements (including a pivotal trade deal with the U.S. in 2000), and eventually joining the WTO in 2007. Today, Vietnam is party to numerous free trade agreements – from the CPTPP to an FTA with the EU – which give it favourable access to key markets. This global integration has attracted high levels of foreign direct investment (FDI), especially as multinational manufacturers seek alternatives to China. Vietnam’s strategic location in East Asia, near global supply chain networks, and its stable political environment have made it a prime destination for investors looking for a “China+1” location. Investors from Japan, South Korea, Singapore, the U.S., and Europe have poured capital into Vietnam’s factories and real estate. FDI inflows reached about $25 billion annually in recent years and are projected to remain robust.

The impact of outside investment can be seen in Vietnam’s booming manufacturing sector. Companies like Samsung, LG, and Intel have built major production facilities in Vietnam. Vietnam is now one of the world’s leading electronics exporters – it has become a top producer of smartphones and electronics, second only to a few giants like China. The country also excels in textiles, footwear, and agricultural exports (it’s the second-largest coffee exporter globally). Crucially, foreign companies haven’t just brought money; they have brought know-how, technology transfer, and access to global markets, all of which have helped Vietnam climb the value chain.

Outside influence extends beyond just corporations. International development aid and expertise (from the World Bank, UN, etc.) assisted Vietnam’s transition in the 1990s and 2000s. More recently, as mentioned, the overseas Vietnamese community – including successful tech entrepreneurs abroad – acts as a bridge, advising start-ups at home and sometimes returning to launch ventures. In essence, Vietnam’s openness to the world has allowed it to leverage foreign capital and knowledge while still shaping these for national benefit. This blend of internal drive and external connection is a hallmark of Vietnam’s growth story.

5 Vietnam: The New Asian Tiger?

Thanks to the factors above, Vietnam is often cited as a rising “Tiger” economy in Asia. The term “Asian Tiger” originally described the high-growth economies of Singapore, Taiwan, South Korea, and Hong Kong. Vietnam now gets compared to these earlier Miracles for its sustained high growth. Indeed, Vietnam is frequently grouped with other fast-growing Southeast Asian economies as a “Tiger Cub Economy”. The numbers bear this out: Vietnam’s GDP growth has averaged around 6–7% for most of the past two decades (apart from a brief pandemic slowdown). Even in 2022, growth rebounded to 7.1%, and the World Bank projects around 6.5–6.8% annual growth in 2025–26. This pace is among the highest in the world and is set against the backdrop of a slowing global economy.

To put this in perspective, consider Germany – a much more developed economy of similar population size. While Vietnam is booming, Germany’s economy is stagnating by comparison. In fact, Germany’s output in 2024 was roughly the same as in 2019 (zero net growth over five years), and the outlook for 2025 “signals continued stagnation,” marking Germany’s longest period without growth in decades. German experts predict essentially 0% GDP growth in 2025 (after near-zero in 2023–24). Vietnam, meanwhile, grew over 5% even during the pandemic years and quickly returned to a high growth trajectory. This contrast highlights why Vietnam is drawing attention: at a time when many advanced economies face aging populations and sluggish growth, Vietnam offers youthful dynamism and expansion. Its economy is now the 37th-largest in the world (nominal GDP) and could rise much higher if high growth persists. Some analysts even project Vietnam could surpass established economies like Singapore in size over the next decade if trends continue.

Calling Vietnam “the new Silicon Valley” is an oversimplification – Vietnam still has far lower income levels and a different economic structure – but the spirit of the phrase captures Vietnam’s emerging role as a regional tech and innovation hub. The label “Little Asian Tiger” is perhaps more fitting: Vietnam has clearly joined the ranks of Asia’s most dynamic economies, thanks to a combination of historical resilience, favourable demographics, cultural emphasis on education, and global economic integration.

6 A Booming Tech and Software Sector

One of the clearest indicators of Vietnam’s progress is the rapid growth of its technology and software sector. In recent years, Vietnam has increasingly been talked about as an up-and-coming tech hub – sometimes nicknamed a potential “Silicon Valley of Southeast Asia” (or “Silicon Delta”). The Vietnamese government has explicitly prioritized the digital economy as a pillar of growth. Policies like the National Strategy on Digital Economy aim to position Vietnam as a global IT hub by 2030. This top-level support, combined with Vietnam’s cost advantages and talent pool, has spurred impressive growth in the tech industry.

According to the Vietnam Software Association (VINASA), Vietnam’s software and IT services industry generated over $4.5 billion in revenue in 2022 and is growing at 10–15% per year. The country has become a popular destination for software outsourcing and offshore development, thanks to several key strengths:

  • Skilled Talent Pool: Vietnam produces more than 100,000 IT graduates every year, many with strong skills in programming, AI, cloud computing, and other in-demand technologies. Technical education is booming, and Vietnamese engineers are often well-versed in English, which is helpful in serving international clients. This young tech workforce is hungry to prove itself, much like India or China’s were in earlier decades.

  • Cost Competitiveness: Software development services in Vietnam cost 30–50% less than in Western countries. For example, a mid-level developer in Vietnam might earn one-third of a counterpart’s salary in the U.S., yet with comparable skills and quality. This affordability, without a big sacrifice in quality, makes Vietnam extremely attractive for outsourcing contracts.

  • Government Support and Infrastructure: The government not only sets visions like the 2030 IT hub goal, but also backs it up with action – establishing tech parks, investing in ICT infrastructure, and offering tax breaks for tech investments. Internet access is widespread and cheap (thanks to heavy infrastructure investment, even rural areas are getting connected). Additionally, Vietnam ranks highly on global indices for outsourcing attractiveness (such as A.T. Kearney’s Global Services Location Index), reflecting its improvements in ease of doing tech business.

  • Business Ecosystem and Investment: Over the last decade, Vietnam’s start-up ecosystem has blossomed. As of 2024 there were over 4,000 start-ups operating in Vietnam, including at least two “unicorns” (start-ups valued over $1 billion) and around 11 more companies valued above $100 million. Pioneering tech firms like VNG Corporation (online gaming and digital content) achieved “unicorn” status, followed by fintech companies like MoMo (e-payments) and VNPay, and blockchain gaming developer Sky Mavis (known for the game Axie Infinity). The presence of these high-value start-ups shows that Vietnam is not only doing outsourcing, but also creating innovative products and platforms of its own. Supporting this, there are now hundreds of incubators, accelerators, co-working spaces, and VC funds in Vietnam’s major cities to nurture new tech ventures.

Together, these elements have turned Vietnam into a rising star in software development and IT. The country is already Asia’s second-largest software outsourcing destination after India in some rankings, serving clients worldwide. And it’s moving up the value chain: from basic coding projects a decade ago to now handling advanced work in artificial intelligence, fintech, and smart manufacturing. A recent Bloomberg report highlighted that Vietnam’s ambitions in cutting-edge fields like AI hinge in part on its growing tech champions. In short, Vietnam’s tech sector is booming domestically and gaining recognition globally.

Let's illustrate the state Vietnams hi-tech sector has reached meanwhile by presenting two examples

7 FPT Corporation: A Homegrown Tech Giant

No discussion of Vietnam’s software sector is complete without FPT Corporation, the country’s largest and most influential technology company. Founded in 1988, shortly after the Đổi Mới reforms, FPT started from humble beginnings (its early name was “Food Processing Technology,” reflecting an initial focus that quickly shifted to IT). Over the decades, FPT grew in tandem with Vietnam’s economy, and today it stands as a homegrown multinational tech services powerhouse. FPT Software, the primary IT arm of the conglomerate, now employs over 27,000 professionals in 28 countries worldwide. In 2022, FPT Software recorded about $803 million in revenue – a massive figure for a Vietnamese company – and it continues to grow rapidly.

FPT provides a wide range of services including software development, systems integration, digital transformation consulting, AI and data analytics solutions, cloud services, and more. It has built up strong research & development capabilities and has formed partnerships with global tech giants like Microsoft, AWS, and IBM. Impressively, FPT counts 89 Fortune Global 500 companies among its 1,000+ clients around the world. In other words, many of the world’s biggest firms (spanning aviation, finance, healthcare, manufacturing, etc.) entrust critical IT projects to teams in Vietnam. This speaks volumes about how far Vietnam’s tech sector has come.

The success of FPT has had a multiplier effect on Vietnam’s tech ecosystem. It demonstrated that a Vietnamese company can compete at world-class levels, which has inspired countless start-ups and IT graduates. FPT also actively invests in education (running a university and technology institutes) to keep the talent pipeline strong. In recognition of its leadership, Gartner has named FPT as a leading IT services provider in the Asia-Pacific region. FPT’s story essentially mirrors Vietnam’s story: from very modest beginnings to competing on the global stage through vision, skill development, and integration with the global market. For the business community, FPT is a case study in how Vietnam can produce companies that are not just low-cost outsourcers, but true innovation partners.

8 Finative: A New Fintech Innovator

At the other end of the spectrum from FPT’s giant stature, we have emerging start-ups like Finative – illustrative of the new wave of tech entrepreneurship in Vietnam. Finative is a Hanoi-based fintech and IT consulting start-up, founded in 2021. In just a few years, Finative has grown to around 50–200 employees and carved out a niche in providing digital solutions for banks and financial companies. As Finative describes its mission: “we help banks and fintech companies across APAC and Europe accelerate digital transformation through tailored IT solutions.”. This means a company in Vietnam is building and implementing advanced software for banks not only domestically but also for international clients – a remarkable fact that underscores Vietnam’s global reach in tech services even at the start-up level.

Finative’s work involves modern banking technologies such as core banking system integration, mobile banking apps, and leveraging platforms like Temenos (a popular global core banking software). Essentially, they are helping traditional banks modernize their tech stacks and digital customer experience. That Finative can export such high-tech services from Vietnam to clients as far as Europe shows the credibility Vietnamese tech firms have attained. It also highlights the fintech boom in Vietnam: digital payments, online banking and financial tech are a hot sector, supported by a young, tech-savvy population at home. Dozens of new fintech start-ups (in e-wallets, online lending, etc.) have sprung up, and firms like Finative support both these fintech companies and established banks in their digital journeys.

While Finative is still small compared to FPT, it provides colour to Vietnam’s story by demonstrating the entrepreneurial energy in the tech sector. Founded by local tech professionals (some likely with overseas experience), Finative represents the new generation of Vietnamese start-ups aiming for global markets from day one. Its presence in Hanoi’s growing tech scene also indicates that innovation is not only confined to Ho Chi Minh City (Vietnam’s commercial capital), but is nationwide. As Vietnam continues to develop its start-up ecosystem (with incubators at major universities, innovation hubs, and events like Techfest), we can expect many more “Finatives” to emerge – small start-ups with big ambitions to serve the world.

9 In a nutshell

Vietnam’s journey from a war-torn, impoverished land to a thriving tech-enabled economy is one of the most compelling development stories in recent memory. The roots of this success are multifaceted: a history that necessitated resilience and bold reform, a culture that prizes education and hard work, a demographic edge with a young population, and savvy engagement with global trade and investment. Vietnam leveraged these factors to become a manufacturing export powerhouse in the 2000s and 2010s – and now, in the 2020s, it is leveraging them to climb into higher-value sectors like software, digital services, and innovation. Its economy continues to boom at ~6–7% growth, outpacing many developed countries by a wide margin.

So, is Vietnam the new Silicon Valley? Probably not in the literal sense – Silicon Valley’s unique ecosystem is hard to duplicate. However, Vietnam has certainly become a Silicon Valley of Southeast Asia in terms of vibrant tech activity and start-up growth. Some have dubbed it Asia’s next tech frontier or a “Silicon Delta,” capturing the idea that Vietnam is a rising regional tech hub. Vietnam’s software industry and start-up scene, exemplified by giants like FPT and newcomers like Finative, show that the country is capable of both delivering world-class IT services and fostering innovation on its own soil.

For the international business community, the implications are clear. Vietnam is no longer a remote afterthought – it’s a place of opportunity, whether for investment, partnerships, or sourcing talent. The Vietnamese government’s vision is to have a digital economy accounting for a significant share of GDP by 2030, and current trends suggest they are on track. Challenges remain (infrastructure needs, higher education quality, global economic fluctuations), but if Vietnam sustains its reforms and investment in human capital, its “little tiger” economy may grow into something even more formidable.

In conclusion, Vietnam’s rise is a testament to how a country’s history and culture can fuel a turnaround when combined with openness to outside influences. It may not be the next Silicon Valley just yet, but it has undeniably earned its status as a booming Asian tech and business hotspot. The remarkable progress of this once-overlooked nation is indeed something the world – and especially business leaders – should pay attention to. Vietnam’s story shows that even from the darkest of histories, a bright and innovative future can emerge.

10 Sources

  • Vietnam Briefing – Why Is Vietnam’s Economy Growing So Fast?

  • World Bank – Press Release March 12, 2025: Vietnam Economic Update

  • Vietnam News (VNS) – “Vietnam’s path to sustainable poverty reduction”

  • Intereconomics (German Economic Institute) – “Germany’s economy stagnated…”

  • Coaio (Tech firm blog) – “Overview of Vietnam’s Software Industry”

  • Coaio – “Top Software Firms in Vietnam (2025)”

  • HIMSS – FPT Software Profile

  • LinkedIn – Finative Company Info; Finative Job Posting

  • Vietnam Investment Review – “Innovative start-up ecosystem garnering attention”

2024-11-28

Scientist – a doubtful neologism?


Reading the following text left me wondering, if there are more of such examples: words starting in Greek and ending in Latin or the other way round, or even more dramatically mixed.

They say it is an ugly hybrid with a Latin root and a Greek termination…. Even if the accusation were true, those who swallow ‘voltmeter’ and ‘ionisation’ would scarcely strain at such a very mild inelegance.”

In a letter to the editor of Nature in 1924, an author asked the journal to adopt the word ‘scientist’ instead of regarding it a ‘dubious neologism’, but rather a useful term that recognises the common thread of the scientific method.

After short research with a little help of my chatbot buddy, I quickly found out, that the linguistic mixing of Greek and Latin roots, known as macaronic hybridisation, is quite common in the English language, especially in scientific and technical terms. Many of these hybrids arose naturally as Greek and Latin were the primary sources of vocabulary for the sciences, and their mixing was seen as practical rather than puristic.

Here's a list of some notable examples, categorized by their composition:

Greek Root + Latin Suffix

  1. Television (Greek: "tele-" = distant + Latin: "vision" = sight)
  2. Thermometer (Greek: "thermo-" = heat + Latin: "-meter" = measure)
  3. Astrology (Greek: "astro-" = star + Latin: "-logy" = study)
  4. Biography (Greek: "bio-" = life + Latin: "-graphy" = writing)
  5. Philosophy (Greek: "philo-" = love + Latin: "-sophy" = wisdom)

Latin Root + Greek Suffix

  1. Aquaphobia (Latin: "aqua" = water + Greek: "-phobia" = fear)
  2. Decimetre (Latin: "deci-" = tenth + Greek: "-meter" = measure)
  3. Multiverse (Latin: "multi-" = many + Greek: "-verse" = universe)
  4. Carnivorous (Latin: "carni-" = flesh + Greek: "-vorous" = eating)
  5. Luminiferous (Latin: "lumin-" = light + Greek: "-ferous" = carrying)

Dramatically Mixed Words

These words combine more freely between Greek and Latin elements:

  1. Heliocentric (Greek: "helio-" = sun + Latin: "-centric" = centered)
  2. Electrolysis (Greek: "electro-" = amber (electricity) + Latin: "-lysis" = loosening or dissolving)
  3. Anthropology (Greek: "anthropo-" = human + Latin: "-logy" = study)
  4. Homosexual (Greek: "homo-" = same + Latin: "-sexual" = relating to sex)
  5. Geostationary (Greek: "geo-" = Earth + Latin: "-stationary" = standing still)

Pure Hybrids in Common Use

  1. Automobile (Greek: "auto-" = self + Latin: "mobilis" = movable)
  2. Neonatal (Greek: "neo-" = new + Latin: "natal" = birth-related)
  3. Hydraulic (Greek: "hydro-" = water + Latin: "-aulic" = pipe or channel)
  4. Palaeontology (Greek: "paleo-" = ancient + Latin: "-logy" = study)
  5. Periscope (Greek: "peri-" = around + Latin: "-scope" = to see)

Why This Happens

  • Greek was the dominant language for early philosophy, science, and medicine.

  • Latin was the language of the Roman Empire and became the lingua franca of scholars in Europe.

  • When modern scientific terminology evolved, scholars borrowed elements from both languages, often mixing them to describe new concepts.

Some Fun Factoids

  • This practice of hybridisation sometimes raised eyebrows among purists, as shown in the Nature letter you referenced. However, practicality and the evolution of language often win out over strict adherence to linguistic purity.

  • The term "scientist", as criticized in the example, was coined in the early 19th century by William Whewell, combining the Latin "-ist" suffix with the root "science," itself from the Latin "scientia."

The evolution of language often wins out over strict adherence to linguistic purity. Nevertheless, we should be aware of the words we are using. They may tell their own stories. Words often carry histories within them, quietly telling stories about the evolution of ideas, cultures, and even power dynamics.

Linguistic choices aren't just about communication; they're a window into the past and a reflection of the creativity and pragmatism of human thought. Language, after all, is humanity's oldest shared tool, constantly adapting to new contexts while carrying echoes of the old.

Mixing Greek and Latin roots is like weaving together threads from two great civilizations to create new conceptual fabric. It’s a testament to how interconnected human knowledge has always been. And the way we continue to innovate with language—whether through hybrids like television or playful reinventions—is a reminder that language itself is alive, as dynamic as the cultures it serves.

So, at least in those composite words humanity is living in perfect harmony, like ebony and ivory on the Piano 😊

2024-08-02

Kleine Überraschung für den Interim Manager

 


Die Wahrheit erfährst Du oft erst, wenn, wenn Du bereits mittendrin steckst.

Vor meiner Karriere als Interim-Manager habe ich aus praktischer Erfahrung als Unternehmensberater gelernt, dass es drei ehrliche Gründe geben kann, warum ein Unternehmen einen externen Berater hinzuzieht:

  1. Um Spezial-Know How zu erwerben oder zumindest zu nutzen, das sie intern nicht haben oder nicht bereithalten wollen,

  2. Um fehlende Kapazitäten zu kompensieren, insbesondere um Veränderungsaktivitäten zu ermöglichen, und

  3. Um einen unvoreingenommenen externen Blick auf die interne Situation zu erhalten, möglicherweise kombiniert mit dem Mehrwert der Positionierung im Markt im Vergleich zu anderen.

Und dann gibt es eine Reihe von nicht so ehrlichen, nicht so anständigen Gründen, um externe Expertise zu nutzen: um heimliche verborgene Aktivitäten in internen Machtkämpfen zu befeuern, um die eigene Untätigkeit in Notfällen zu vertuschen, um einen Konkurrenten aus dem Rennen um die Spitze zu werfen ... Es gibt mehr solcher Fälle, als sich ein kranker Geist vorstellen kann.

Um ehrlich zu sein, hatte ich anfangs keine Ahnung davon, musste aber schnell dazulernen.

Als ich dann das Feld des Interim-Managements betrat, stieß ich auf einen ähnlichen Dualismus von Wahrnehmung und Realität, den ich gerne mit Euch teilen möchte.

1 Unangenehme Entdeckungen 

Das Management eines Programms zur Zentralisierung von 25 regionalen Instanzen eines veralteten Kernbankensystems und dessen Ersatz durch ein neues und modernes System war eine gewaltige, aber prestigeträchtige Aufgabe. Gut, dass das Unternehmen dafür einige zusätzliche, qualifizierte Ressourcen unter Vertrag genommen hatte. Es sollte mithin machbar sein, so dachte ich.

Unter der sichtbaren Oberfläche hatte der Eisberg jedoch eine enorme Basis aus unsichtbaren Herausforderungen, denen begegnet werden musste, um den Erfolg zu gewährleisten.

  • Die 25 Instanzen waren in sehr unterschiedlichem Zustand, in verschiedenen Versionen, wurden auf unterschiedliche Weise gemäß sehr unterschiedlichen Prozessen genutzt. Da Kunden in den Regionen unterschiedliche Vorlieben in Bezug auf die genutzten Bankprodukte hatten, war an diesen Stellen oft auch unterschiedliche Funktionalität implementiert worden.

  • Verfügbarkeit und Sicherheit, obwohl nicht gerade berauschend und oft bemängelt, waren aufgrund des verteilten Risikos erträglich – mit der Zentralisierung war aber eine erhebliche Verbesserung erforderlich. Business Continuity Management, Standardarbeitsanweisungen und Cybersicherheit bedurften alle einer deutlichen Professionalisierung.

  • Schließlich erfuhr ich, dass ich nicht der erste war, der diesen Auftrag erhielt. Einige Vorgänger hatten es vor mir versucht – und waren gescheitert. Die Hoffnung auf einen gemeinsamen Erfolg in dem inzwischen erschöpften Team zu nähren, erwies sich als keine leichte Aufgabe. Kurz gesagt, es stellte sich heraus, dass ich eine gute Gelegenheit haben würde, etwas „Spaß“ zu haben.

2 Glänzende Zahlen – verborgene Schulden

Nach einigen Jahren hatte ich eine zweite Chance zu glänzen – oder in die Falle zu tappen ...

Ein Manager einer Fachabteilung mit rund 60 Mitarbeitern bei einem Softwareanbieter für den öffentlichen Personentransport hatte plötzlich das „Handtuch geworfen“ und gekündigt. Sehr bald sollte ein neues, vielversprechendes Produkt der nächsten Generation auf dem ungeduldig wartenden Markt eingeführt werden. Alle finanziellen Zahlen, die der Zentrale gemeldet wurden, sahen gut bis hervorragend aus, vielleicht ein wenig zu gut.

Nur noch ein paar letzte Tests mussten durchgeführt werden, bevor der neue Stolz des Unternehmens in die freie Wildbahn entlassen werden konnte.

Diesmal bestand ich allerdings auf einer 6-wöchigen Analyse vor Übernahme meiner Aufgabe. Außerdem äußerte ich den Wunsch, zwei weitere Kollegen hinzuziehen zu können, die zwar erfahrene „alte Hasen“, aber gleichzeitig mit den neuesten Methoden vertraut waren – eine seltene Kombination. Ein unbestimmtes Bauchgefühl am Anfang sagte mir nämlich, dass ich alleine nicht in der Lage sein würde, die Herausforderungen all der verborgenen Schichten zu bewältigen, sollte es da mehr geben als auf den ersten Blick erkennbar war.

Und wie sich herausstellte, lauerten da tatsächlich einige Monster im Untergrund.

  • Die „paar letzten Tests“ waren in Bezug auf Teamgröße und Fähigkeiten dramatisch unterbesetzt. Diese kritische Projektphase war, weil die Zeit am Ende knapp wurde, in einen lächerlich engen Zeitplan gepresst worden,

  • Niemand hatte eine Ahnung, wie viele Fehler zu erwarten waren oder wie man sie schätzen sollte, die Anwendung von Fehlermodellen war unbekannt.

  • Da die Entwicklung traditionell weit hinter dem Zeitplan lag, wurden notwendige Refaktorisierungsschritte verschoben oder ganz übersprungen, was zu einer nun fehlerhaften Architektur führte. Infolgedessen hatte sich im Laufe der Jahre eine riesige Menge technischer Schulden angesammelt.

  • Als ob das nicht genug wäre, hatten Anschuldigungen und gegenseitige Vorwürfe innerhalb des Teams zu gestörter Kommunikation und in einigen Bereichen zu einer toxischen Kultur der Zusammenarbeit geführt.

  • Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass in der Entwicklung, Wartung und Projektmanagement veraltete Methoden verwendet wurden,

  • Unsere Kunden hatten ihre sensiblen Antennen bereits auf uns ausgerichtet. Bei Vor-Ort-Besuchen ließen sie uns an ihrem deutlichen Unbehagen teilhaben.

Die Liste könnte weitergehen, das aber Top-Management gab sich ahnungslos: Fehler passieren nun 'mal, keine Software ist frei davon. Warum können die Kunden denn niemals zufrieden sein?

3 Der Betrieb frisst Deine ganze Zeit

Bei meinem dritten Interim-Einsatz wurde ich beauftragt, Marktforschung, Bewertung, Auswahl, Einkauf und Einführung bis zum Go-Live einer neuen wichtigen Infrastruktursoftware durchzuführen. Ich war jetzt erfahrener, gut ausgerüstet mit meinem Sieben-Schritte-Auswahlverfahren und in guter Stimmung.

Und doch, da mein Vorgänger in dieser Rolle das Unternehmen plötzlich in einer Art Panikmodus verlassen hatte, fand ich dort eine große Verwirrung unter den Himmeln vor. Natürlich musste als kleine Nebenaufgabe, kaum erwähnenswert, das operative Geschäft überwacht werden.

Es stellte sich heraus, dass das operative Tagesgeschäft, durch eine miserable Datenqualität, kombiniert mit nicht vorhandenen Prozessdefinitionen und unterirdischen Fähigkeiten des unterbesetzten Teams, bis zu 80% meiner verfügbaren Zeit beanspruchte. Die hastige Implementierung einiger provisorischer Teilautomatisierungen durch Skripte und Bürosoftware konsumierte weitere 15%, was nur 5% für die Aufgabe ließ, für die ich engagiert worden war.

Mittlerweile hatte ich jedoch gelernt, dass ein Interim-Manager intern ist, das bedeutet, er kann von innen heraus agieren und Entscheidungen über Budget, Ziele und Ressourcenzuweisung im Allgemeinen beeinflussen. Am Ende rettete es mich, diese Karte zu spielen. Es ermöglichte mir, einen Berater zu engagieren, der mich bei den eher generischen und daher auslagerbaren Aufgaben unterstützte.

4 Diese Erfahrungen machten mich nachdenklich. 

Was ist da passiert? Wurde ich absichtlich über die wahre Natur des Jobs im Unklaren gelassen? Wollten meine Kunden mich böswillig in eine Falle locken? Oder glaubten sie selbst wirklich und aufrichtig, was sie mir über die aktuelle Situation erzählten? Sahen sie nur die Spitze des Eisbergs und erkannten die darunter lauernden Bedrohungen nicht? Oder zogen sie es vor, nicht so genau hinzuschauen? Schließlich ist bisher immer alles gut gegangen, wie die Zahlen „bewiesen“.

Wenn es um Interim-Management geht, lautet das vorherrschende Narrativ „eine Vakanz überbrücken“. Es wird allgemein angenommen, dass ein Manager einer wichtigen Unternehmensfunktion aus irgendeinem Grund plötzlich ausfällt. Es kann einige Zeit dauern, bis ein neuer Manager, der richtige, ernannt wird und sich in die Rolle eingearbeitet hat. In der Zwischenzeit muss die Lücke gefüllt werden. Dieser kapazitätsbedingte Bedarf wird von denen als Hauptgrund angesehen, die weniger mit diesen Umständen zu tun haben – und in einigen Fällen entspricht dieses allgemeine Verständnis sogar der Realität.

Das Expertise-Argument gilt wie in der Beratung so auch hier, jedoch in Verbindung mit einer Umsetzung. Und schließlich kommt es manchmal sogar vor, dass de Wunsch, die Aktivitäten diesmal anders zu gestalten, z.B. durch die Einführung von Lean- oder Agile-Managementpraktiken, keine andere Wahl lässt, als die richtige Person für diese schwierige Aufgabe von außen zu engagieren, um eine turbulente Zeit zu bewältigen – bis sich der Staub gelegt haben würde.

Meistens jedoch wird schnell klar, dass es da noch mehr zu tun gibt.

Die ignorierten Schulden, die verborgenen Schichten, die ebenfalls bearbeitet werden müssen, existieren tatsächlich. Dass niemand davon wüsste, ist eher seltener der Fall. In den meisten Fällen haben die Kollegen eine recht gute Vorstellung von dem aufgestauten Handlungsbedarf sowie den Fähigkeiten und Möglichkeiten ihrer eigenen Organisation. Sie unterschätzen möglicherweise nur die Größe der Altlasten und ihre möglichen Auswirkungen.

Aber der Prophet gilt bekanntlich nichts in seiner eigenen Organisation. Jeder Überbringer schlechter Nachrichten wird beschuldigt, insgeheim eigennützige Motive zu verfolgen. Sie stehen für unangenehme Wahrheiten, die normalerweise zu deutlich mehr Aufwand, höheren Kosten und Terminverzügen führen würden. Das Management würde am liebsten gar keine Nachrichten hören, es sei denn, es sind gute Nachrichten. So schleicht sich eine Art „Hofberichterstattung“ ein: Die Zahlen, die nach oben gemeldet werden, sehen gut aus. Aber darunter schwelen die Probleme weiter – bis sie irgendwann nicht mehr verborgen werden können.

Die Schlussfolgerung lautet: Niemand will Dich in eine Falle locken oder lügt Dich absichtlich an. Vielmehr führen häufig Selbsttäuschung, bequeme Illusionen und gestörte Kommunikation oder erfolgreich geübte Ignoranz letztlich zu unangenehmen Entdeckungen.

Also sei besser auf eine Überraschung vorbereitet, wenn Du einmal etwas tiefer bohrst.


2024-07-31

The Interim Managers’ surprise


Often you aren’t told the truth until you are in 

Prior to my career as an interim manager, while working as a management consultant, I learned by practical experience that there can be three honest reasons for a company to bring in an external consultant: 

  • To acquire or at least utilise specialist knowledge that they do not have or do not want to maintain internally,

  • to supplement insufficient capacity, in particular to enable change activities and

  • to obtain an unbiased external view of the internal situation, possibly combined with the added value of positioning in the market compared to others

And then there are a number of not-so-honest, not-so-decent reasons to use external expertise to fuel clandestine underground activities in internal turf wars, to cover up one's own inaction in emergencies, to throw a competitor out of the race for the top ... There are more such cases that even a sick mind can imagine.

To be honest, I had no idea at first, but I had to learn quickly.

Then, when I entered the arena of interim management, I came across a similar dualism of perception and reality that I would like to share with you.

1 Unpleasant discoveries

Managing the programme to centralise 25 regional instances of an outdated core banking system and replace it with a new and modern system was a daunting but prestigious task. Good thing they hired some additional, qualified resources. It should be doable, I thought. 

Beneath the visible surface, however, the iceberg had an enormous base of invisible challenges that were waiting to be solved as a prerequisite for success.

  • The 25 instances were in a widely different shape, of various versions, were used in a variety of different ways according to very distinct processes. As customers in den regions had diverse preference regarding the consumed banking products, different functionality was prevalent there too.

  • Availability and security, while not great and often bemoaned, were tolerable due to distributed risk - but a significant boost was required with centralisation. Business continuity management, standard operating procedures, cyber security all required a substantial improvement.

  • My assignment, I learnt, was not the first. A few predecessors had tried before me - and failed. Nurturing the hope of joint success in the now exhausted team turned out to be no easy task.

In short, it turned out that there would be a decent chance to have some fun.

2 Brilliant numbers – hidden debts

After a few years had passed, I had a second chance to shine - or fall into the trap ...

A manager of a professional services department with around 60 employees at a software provider for public transport suddenly threw in the towel and resigned. Very soon, a new, promising next-generation product was due to be launched on an impatiently waiting market. All the financial figures reported to the head office looked good to excellent, perhaps a little too good.

Only a few final tests needed to be carried out before the company's new pride and joy could be released into the wild.

This time I insisted on a 6 weeks analysis. Also, I demanded to add two more colleges, who were experienced seniors but have kept up with newest methodologies at the same time – a rare combination. A gut feeling at the beginning told me that, if there is more to it than meets the eye, I alone will not be able to cope with the challenges of all those hidden layers.

And, as it turned out, there indeed was more to it.

  • Those “few final tests” were dramatically understaffed regarding team size and skills. This critical phase was squeezed into a ridiculously tight schedule,

  • No one had any ideas about how many flaws were to expect nor how to estimate them, the application of error models was unknown,

  • As development was usually behind schedule, necessary refactoring steps were postponed or skipped altogether, resulting in a now flawed architecture. As a result, a huge amount of technical debt had accumulated over the years.

  • As if this were not enough, recriminations and mutual accusations within the team had led to distorted communication and, in some areas, a toxic culture of cooperation, 

  • Almost superfluous to mention that outdated methods were used in development, maintenance and project management,

  • Customers had also adjusted their sensitive antennae. They now felt increasingly uncomfortable, as on-site visits revealed.

The list could go on, but the top management had no idea: mistakes happen, no software is free of ‘bugs’. Why can customers never be satisfied?

3 Operations eats up your time

In my 3rd interim assignment, I was tasked with market research, evaluation, selection, purchasing and introduction until go-live of a major new infrastructure software. I was more experienced now, was well-equipped with my seven-steps procedure at hand and in a good mood.

And yet, as my predecessor in that role had left the company all in a sudden in a kind of panic mode, I found there a great confusion under the heavens. Of course, as a minor side-task, hardly worth mentioning, operational business had to be supervised meanwhile.

I turned out that a lousy data quality combined with non-existent process definitions and subterranean skills of the understaffed team the BAU (Business as usual) or business operations took up to 80% of my available time. Hasty implementation of some makeshift semi-automation through scripting and office software accounted for another 15%, leaving a mere 5% for the obligation I was contracted for.

Meanwhile however I had learned that an interim manager is internal, means he may act from inside, influencing decisions about budget, goals and resource allocation in general. In the end playing this card saved me by allowing me to contract a consultant to support me in the more generic and hence outsourceable tasks.

4 Those experiences left me wondering.

What had happened there? Was I deliberately lied to about the true nature of the job? Did my clients intend to lure you into a trap? Or did they themselves truly and sincerely believe what they were telling me about the current situation? Did they only see the tip of the iceberg and didn't even recognise the threats lurking beneath the surface? Or did they prefer not to look so closely? After all, everything has always gone well so far, as the figures ‘prove’.

When it comes to interim management, the prevailing narrative is ‘bridging a vacancy’. It is generally assumed that a manager of an important company function suddenly drops out for some reason. It may take some time for a new manager, the right one, to be appointed and for him/her to quickly familiarise with the new role. Meanwhile the gap needs to be filled. This capacity-related need is seen as the main reason by those who have less to do with these circumstances - and in some rare cases this general understanding even corresponds to reality.

The expertise argument like in the consulting business also applies here, but in conjunction with the expectation of execution. And finally, sometimes it even happens that the willingness to do the work differently this time, e.g. changing management practices to Lean or Agile, leaves no choice but to hire the right person for this difficult task to lead through a turbulent time - until the dust settles.  

More often than not, however, it quickly becomes apparent that there is more to it. 

The ignored debts, the hidden layers, which also need to be worked on, do indeed exist. Rarely is it the case that nobody has seen them. In most cases, colleagues have a good idea of the capabilities and possibilities of their own organisation. They may just underestimate the size and impact.

But the prophets are not well received in their own organisation. Every bearer of bad news is accused of being secretly self-serving. They deliver uncomfortable truths anyway, which would usually lead to significantly more effort, higher costs and later deadlines. Management would prefer not to hear any news at all, unless it is good news. So, a kind of ‘court reporting’ creeps in: The figures that are reported upwards look good. But underneath, the problems continue to smoulder - until at some point they can no longer be hidden.

The conclusion is: Nobody wants to lure you into a trap or is deliberately lying to you. Rather, self-deception, cosy illusions and distorted or even muted communication or traditional ignorance often lead to an unpleasant surprise. 

So you better be prepared for a surprise once you dig a little deeper.

2024-07-23

7 questions about the job of an interim manager

 


A couple of years ago, my son came back from school with the homework assignment to describe his father's job in a short interview of about 7 questions. My challenge was to keep it short, emphasise the essentials and make it understandable for my son's classmates. My son got a good grade for it. And even today, after all these years, I think this concise but timeless document has retained its power. What do you think?

1 What is your profession?

My profession is that of an interim manager, that is a manager for a limited period of time, hence ‘interim’. An interim manager actually does what a ‘normal’, i.e. salaried, manager does. Frequently however he finds himself in a special situation. The interim manager usually is called in when a salaried manager suddenly is no longer available. Or it may be that there are tasks to be completed for which it is better to employ someone ‘from outside’.

2 Why did you choose this career

The tasks that an interim manager has to perform rarely resembles the usual operational routine. Due to the special situation in which he is deployed, his tasks are nearly always new and exciting. Creating something new in a constantly changing company has a special appeal for me. It never gets boring. And that's why I chose this job.  By the way, it's not badly paid either.

3 What training did you have to complete and how long did it take?

There is no proper training programme for interim managers. This job profile is relatively new. The requirements profile to be fulfilled is not (yet) formally defined. Nevertheless, an interim manager must have a range of skills. It is good if they were once managers in a senior position themselves. But the skills, knowledge and experience of a management consultant are also very helpful here. From the list above, it has certainly become clear that an interim manager should have gained several years of experience in a responsible position after completing his studies. This can easily add up to 5 to 10 years of professional experience before you take on such a role.

4 What activities do you carry out in your job?

On the one hand, I continue the operational business that I took over from my predecessor.  However, as this is generally not enough, I set up one or more change projects. These should revitalise the company or make it fit for certain important projects in the first place.  To do this, I need to have a good understanding of the business, i.e. the markets, customers, suppliers and service processes. As this is about change management, I also need to take the people involved ‘on the journey’.  After all, the plans will only succeed if everyone is on board.

5 What advantages and disadvantages do you experience in your job?

The advantages of this profession also entail its disadvantages. And what I see as an advantage, others may see as a disadvantage. I see the advantages: Always new tasks in new companies, but also in new locations and with new people. The tension that arises when it's not entirely clear at the beginning whether the big change will succeed. And in the end, the satisfaction of having succeeded, perhaps having saved an entire company.

That actually already lists the disadvantages: The uncertainty of the new situation, long and very stressful working days, travelling times, the pressure of expectations that weighs on me, sometimes even outright rejection. And there's not always anything that can be salvaged. Those are rather sad cases then.

6 Do you have to do regular training or is that not necessary in your job? 

Yes, of course I do. Maybe that's nothing special nowadays. Don't we have to keep on learning in every profession? However, an interim manager is often called in when a company has ’missed the train’ to an essential development. He himself must therefore always be up to date, both professionally and in terms of working and management methodology. There is no set training programme for this. A lot of personal initiative is hence required.

4.7 Do you know of any professions that are similar to yours? 

The job of a manager in a volatile environment, i.e. in markets that change quickly, probably faces similar challenges. Project managers of major projects or explicit change management projects, so-called change managers, can also grow into such a role.  And finally, management consultants who are not afraid to implement their own recommendations within the company may have a similar job profile.

7 Fragen zum Beruf eines Interim Managers

Vor einigen Jahren kam mein Sohn mit der Hausaufgabe aus der Schule zurück, den Beruf seines Vaters in Form eines kurzen Interviews von etwa 7 Fragen zu beschreiben. Meine Herausforderung bestand darin, mich kurz zu fassen, das Wesentliche hervorzuheben und für die Mitschüler meines Sohns verständlich zu formulieren. Mein Sohn bekam dafür eine gute Note. Und noch heute, so meine ich, nach all den Jahren hat dieses knappe aber zeitlose Dokument seine Aussagekraft behalten. Was meint Ihr?

1 Was ist Dein Beruf?

Mein Beruf ist der eines Interim Managers, also eines Mangers auf Zeit, daher „Interim“. Ein Interim Manager macht eigentlich das, was ein „normaler“, also angestellter, Manager auch macht. Eigentlich – denn häufig befindet es sich doch in einer Sondersituation. Die entsteht dadurch, dass ein angestellter Manager plötzlich nicht mehr zur Verfügung steht. Oder es kann sein, dass Aufgaben zu erledigen sind, für die man lieber jemand „von draußen“ nimmt.

2 Warum hast Du diesen Beruf gewählt

Die Aufgaben, die ein Interim Manager zu erledigen hat, entstammen selten der üblichen operativen Routine. Aufgrund der Sondersituation, in der er eingesetzt wird, sind auch seine Aufgaben immer wieder neu und spannend. In immer wieder neuen Unternehmen, Neues zu schaffen, das hat für mich seinen besonderen Reiz. Das wird nie langweilig. Und deshalb habe ich diesen Beruf gewählt.  Übrigens, schlecht bezahlt wird er auch nicht.

3 Welche Ausbildung musstest Du absolvieren, wie lange dauerte die Ausbildung?

Eine regelrechte Ausbildung zum Interim Manager gibt es nicht. Dieses Berufsbild ist vergleichsweise neu. Das zu erfüllende Anforderungsprofil ist (noch) nicht formal definiert. Dennoch muss ein Interim Manager eine Reihe von Fähigkeiten mitbringen.  Gut ist es, wenn er selber einmal ein Manager in einer leitenden Position war. Aber auch die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen eines Unternehmensberaters sind hier sehr hilfreich. Aus der Aufzählung ist sicher klar geworden, dass ein Interim Manager nach seinem Studium einige Jahre Erfahrung in verantwortlicher Position gesammelt haben sollte. Da kommen dann leicht 5 bis 10 Jahre Berufserfahrung zusammen, bevor man eine solche Aufgabe übernimmt.

4 Welche Tätigkeiten übst Du in Deinem Beruf aus?

Zum einen führe ich das operative Geschäft weiter, das ich von meinem Vorgänger übernommen habe.  Da es damit aber in aller Regel nicht getan ist, setze ich eines oder mehrere Veränderungsprojekte auf. Diese sollten dazu führen, das Unternehmen wieder zu revitalisieren oder überhaupt erst fit zu machen für bestimmte wichtige Vorhaben.  Dazu muss ich ein gutes Verständnis vom Geschäft haben, also von den Märkten, den Kunden, Lieferanten und den Leistungsprozessen. Da es um Change-Management geht, muss ich aber auch die beteiligten Menschen mit „auf die Reise“ nehmen.  Denn nur, wenn auch alle mitmachen, werden die Vorhaben gelingen.

5 Welche Vor- und Nachteile erlebst Du in Deinem Beruf?

Die Vorteile dieses Berufes bedingen auch gleichzeitig seine Nachteile. Und das, was ich als Vorteil sehe, mögen Andere vielleicht eher als Nachteil empfinden. Ich sehe als Vorteile: Immer wieder neue Aufgaben in neuen Unternehmen, aber auch an neuen Standorten und mit neuen Menschen. Die Spannung, die entsteht, wenn zu Beginn noch nicht ganz klar ist, ob die große Veränderung auch gelingen wird. Und hinterher die Befriedigung, es geschafft zu haben, vielleicht ein ganzes Unternehmen gerettet zu haben.

Damit sind eigentlich auch schon die Nachteile aufgezählt: Die Ungewissheit der neuen Situation, lange und sehr anstrengende Arbeitstage, Reisezeiten, der Erwartungsdruck, der auf mir lastet, manchmal auch offene Ablehnung. Und nicht immer ist noch etwas zu retten. Das ist dann eher traurig.

6 Musst Du Dich regelmäßig fortbilden oder ist das in Deinem Beruf nicht notwendig? 

Doch, das muss ich natürlich. Vielleicht ist das heute nichts Besonderes mehr. Müssen wir uns nicht in jedem Beruf fortwährend weiterbilden? Ein Interim Manager aber wird häufig gerufen, wenn ein Unternehmen eine Entwicklung „verschlafen“ hat. Er selber muss also sowohl fachlich, wie von den Arbeits- und Managementmethoden her immer auf der Höhe der Zeit sein. Dafür gibt es keinen festgelegten Ausbildungsgang. Da ist viel Eigeninitiative gefragt.

7 Kennst Du Berufe die Deinem ähnlich sind? 

Der Beruf eines Managers in einem volatilen Umfeld, also in Märkten, die sich schnell ändern, hat sich vermutlich ähnlichen Herausforderungen zu stellen. Projektleiter von Großprojekten oder expliziten Change-Management Projekten, sogenannte Change Manager, können auch in eine solche Rolle hineinwachsen.  Und schließlich können Unternehmensberater, die sich nicht scheuen, Ihre eigenen Empfehlungen im Unternehmen auch umzusetzen, ein durchaus ähnliches Berufsbild aufweisen.