My near philosophical musings about the world in general its problems and possible ways out.

2006-12-07

nichts für ungut

yes or nor or what?

Jetzt auch im SPIEGEL - sind wir Deutschen mit der doppelten Verneinung überfordert?

Was las ich da neulich online bei Spiegel.de?

Abriss in der Hamburger Innenstadt

Sendetermin: Samstag, 13. März, 22.10 - 00.20 Uhr, VOX

... : So soll eine Reifenwaschanlage verhindern, dass die Lastwagen nicht Tonnen von Dreck in die Stadt tragen.

Es ist eindeutig, was hier geschrieben steht, und genauso eindeutig, was gemeint ist. Nur unterscheiden sich die Aussagen zu 100%. Aber jeder versteht es richtig - nicht unflott.

Jeder, der schon einmal ein Computerprogramm geschrieben hat, weiß, dass es manchmal am Einfachsten ist, einem verneinenden Ausdruck nochmals ein "nicht" voran zu stellen, um so wieder zu einer positiven Aussage zu gelangen. Menschliche Leser kapitulieren an dieser Stelle häufig schon. Die doppelte Verneinung sprengt ihr Vorstellungsvermögen.

Na gut, das sind die dummen Computer. Müssen die denn immer alles so genau nehmen? In der Umgangssprache ist das kein Problem. Es versteht eh schon jeder, was gemeint ist. Das Einzige, was wir tun müssen ist, uns von dem Anspruch elementarer Logik in der Deutschen Sprache zu verabschieden.

Also, nichts für ungut! Denn ich möchte keinesfalls verhindern, dass Sie nicht irgendwelchen Fehldeutungen erliegen.

Horst-Walther

2006-11-28

Xing-derassa Bumm!

Als ich neulich wieder einen meiner Pflichtbesuche bei meiner Erbtante - nein, sorry ich bin heute etwas durcheinander - es war nicht meine Erbtante. Es war ein offener Geschäftsverein. Als ich also neulich wieder einmal einen meiner Pflichtbesuche im OpenBC, jenem virtuellen "Business Club" machte ... Schon wieder falsch. Die heißen ja inzwischen - Kotau vor dem 1,2 Milliarden-Volk - XING. XING (ausgesprochen “sching”, aber mit welcher Tonmelodie?), das man angeblich auf Chinesisch (gemeint ist wohl die Chinesische Hochsprache Mandarin bzw. Putonghua 普通话 oder 普通話) als “ich kann es tun” versteht und das man auf amerikanisch als “crossing” interpretieren könnte. Und Sie wissen es ja als aufmerksamer Beobachter des großen Theaters an den Weltbörsen, dass dieser Club jetzt ganz un-Club-mäßig mit großem Xing-derassa-Bumm an die Börse gehen will.

Angefangen hatte das alles ja ein mal mit den 6DoS, den „six degrees of separation“ – jedenfalls vorgeblich. Was das ist? Nun, fragen wir doch einmal die allwissenden Massen – in Wikipedia: „Six degrees of separation is the hypothesis that anyone on Earth can be connected to any other person on the planet through a chain of acquaintances with no more than five intermediaries.“ Das fand ich damals lustig. Und da ich ein anhänglicher Typ bin, schaue ich auch heute noch gelegentlich nach, wer wen kennt, wer wen kennt, wer wen kennt. In zwischen gibt es allerdings einige Spielverderber, die sich an diese ursprüngliche Aufgabenstellung wohl nicht mehr erinnern mögen und ihre Contacts „invisible“ halten.

Mein alter Freund Michael R. Dubrowski ist da ganz anders. Er zeigt seine Freunde und Bekannten. Und es sind interessante und bekannte Personen darunter. Als ich dann aber las, das unser Deutscher Papst (Sie wissen doch „Wir sind Papst!“) noch unter seinem alten Namen Ratzi und das Erzübel als Washington DC, Mr. GWB dabei waren habe ich nicht schlecht gestaunt über seine einflussreichen Kontakte auf Erden, wie auch in den Himmel – alle Achtung. Dann wurde es auch noch jenseitig. Als ich nämlich auf Karol Józef Wojtyła stieß. Richtig, auch ein Papst (Johannes Paul II.), wenn auch ein Ex. Und dann noch auf einen gewissen Wladímir Iljítsch Uljánow. Hieß der nicht mit Künstlernamen Lenin? Und überhaupt sind die nicht beide schon ziemlich mausetot? Stimmt, aber das kann XING ja nicht wissen. Da muss man ja nicht mal der sein, der sich einträgt (Sie erinnern sich vielleicht: XING heißt angeblich in etwa „can do“). Und wer sagt denn, dass die 6DoS nicht auch über das Jenseits gehen dürfen?

Und übrigens: Ich habe gar keine Erbtante. Ich weiß nicht einmal genau, was das ist, ob man sie nämlich geerbt haben muss oder ob sie uns, was ich doch sehr hoffe, zu beerben gedenkt. Und ich bin mir auch nicht mehr sicher, ob die Geschichte mit dem OpenXigderassa-Club so oder vielleicht etwas anders passiert ist. Wie schon gesagt - ich bin heute etwas durcheinander. Aber so ist das mit Geschichten: Wenn sie gut sind, müssen sie nicht mehr unbedingt wahr sein. Ist doch so, oder?

Horst-Walther

2006-11-26

Denn er hatte einen Dackel …

Nun sollte man denken, dass es doch nichts über den Menschen aussagt, ob einer einen Dackel hat oder nicht. Ich habe ja schließlich nicht behauptet, dass er einen „Vogel“ hat. Aber vielleicht ist es doch anders. Vielleicht sind die Zufälle doch viel seltener, als wir es annehmen. Vielleicht verraten wir unsere innersten Überzeugungen doch viel stärker durch scheinbar banale Äußerlichkeiten, als wir glauben.

Bei unserer nicht mehr blutjungen, aber doch ganz vitalen blonden Nachbarin, der auf irgendwie ungeklärte Weise der Mann abhanden gekommen war, war ein Neuer eingezogen. Bis auf seinen hörbar bestimmten Tonfall nicht weiter auffällig – wäre da nicht der Dackel, den er in die Beziehung eingebracht hatte.

Eigentlich nichts besonders. Und hätte man etwa erwarten sollten, dass er so einen niedlichen glupschäugigen, schwanzwedelnden Niederflurquattropeden wegen einer neuen Beziehung so einfach – mir nichts, dir nichts – in die Verbannung schickte oder gar ins Jenseits beförderte? Nein, der kleine fiepende Kotabsetzer zog ganz selbstverständlich mit ein.

Und dann nahm das Unglück seinen Lauf. Es konnte ja gar nicht gut gehen. Das hätte man doch vorher sehen müssen – lässt sich jedenfalls hinterher sagen. Und daran soll ein Dackel schuld sein? Nein, nicht ganz – auf irgendeine Weise doch unschuldige Kreatur - ist er aber ein starkes Indiz dafür, dass der kurz vor Torschluss erschienene, rettende Traummann doch nichts weiter als ein kleinbürgerlicher, spießiger Rechthaber war und nach kurzer Schamfrist samt Dackel wieder an die Luft gesetzt werden musste.

Wer einen Dackel hat, der ist … Nun, man kann ihn ja auch geerbt, gewonnen, in Pflege genommen haben. Oder er ist einem zugelaufen und man mochte nicht so hartherzig sein, ihm wieder das Gartentor zu weisen. Wer sich aber bei vollem Bewusstsein und in Kenntnis der Folgen, zu 100% schuldfähig also, einen Dackel anschafft, der kann auch gleich sein verschrobenes Psychogramm an die Haustür nageln.

Denn der Dackelführer an sich braucht eine hündische Seele, die von möglichst kurzen Beinchen mit Schlafzimmerblick zu seinem „Herrchen“ aufsieht. Haben Sie schon einmal einen Kollegen, Nachbarn oder sonst einen Menschen, von dem Sie bereits ein vorläufiges Bild hatten, unerwartet bei Ausführen seiner domestizierten Bestie erleben dürfen? Hatten Sie ihn sonst vielleicht als friedfertigen, ausgeglichenen Menschen erlebt, so zeigt er Ihnen hier ein ganz anderes (sein wahres?) Gesicht. Seine Stimme wird rau und hart. Er befiehlt, schreit, brüllt, lässt exerzieren als sehnte er sich nach den alten großdeutschen Zeiten zurück, in denen auch der gemeine Mann zu Befehlsgewalt gelangen konnte, wenn er nur der richtigen Gruppe Gefolgschaft leistete.

Was hat der Mensch doch über die Jahrtausende aus dem stolzen Wolf gemacht – krummbeinige, schwanzwedelnde Karikaturen seiner selbst, mimiklose Tötungsmaschinen, Ersatzpartner zum Schmusen oder für das einseitige Gespräch, kritiklose Befehlsempfänger oder tumbe Repräsentationsobjekte. Seltsam, dass sich keines der „Herrchen“ blöd vorkommt, mit einem derart verbogenen Stück ehemaliger Natur durch die Straßen der Nachbarschaft zu patrouillieren. Aber das ist eben ein Teil seines Psychogramms.

Deswegen konnte es auch nicht gut gehen – denn er hatte einen Dackel.

Horst-Walther

Dann werden wir alle zu Nomaden …

Moderne Zeiten – wer hat nicht schon über jenen Film mit Charly Chaplin gelacht? Ja, die modernen Zeiten verlangen dem Menschen schon so Einiges ab. Aber wir kühlen rationalen Verstandesmenschen sehen ja ein, dass Veränderungen notwendig sind und fügen uns.

Mobilität zum Beispiel. Da wird von einem jeden, der es zu einem gewissen Erfolg bringen möchte, oder auch nur anzeigen möchte, dass er für den möglichen Erfolg zu allerlei vorauseilenden Kompromissen bereit ist, Mobilität verlangt. Wir ziehen europa-, ja weltweit mit Sack und Pack und Kind und (wenn in der heutigen Zeit noch vorhanden) Kegel dorthin, wo es unser Arbeitgeber es wünscht, wo es noch lukrativ erscheinende Jobs gibt oder wo die Auftragslage eine ständige Präsenz zu erzwingen scheint.

Dafür nehmen wir einiges in Kauf. Die Kern-Familie wird, als müsse ihre Existenz bewiesen werden, von ihren nicht mehr zeitgemäßen Ausläufern abgetrennt: Oma, Opa, Tanten, Onkeln und anderen Verwandtschaftsgraden für die unsere Sprache kam mehr noch die Bezeichnungen kennt. Aber wir leben ja auch in modernen Zeiten. Unser unbedingter Freiheitswille, lässt es eben nicht mehr zu, dass wir unter einem herrischen Patriarchen in einer archaischen Großfamilie leben. Clan, Sippe, Stamm und ähnliche, völlig unzeitgemäße Worte kommen einem da in den Sinn. Oder wäre es nicht doch manchmal ganz hilfreich, wenn die Oma mal die Kinder nehmen und sie – vielleicht zusammen mit anderen Enkeln – eine Zeit lang hüten könnte? Wie stellen wir die 100%-24h-rund-um-die-Uhr-Totalbetreuung unserer Zöglinge bei Teilzeitberufstätigkeit und Lebenserfüllungsanspruch eigentlich sicher – ohne Tanten und Großmütter? Nun gut …

Weitere Opfer – manche sind sogar Menschenopfer: „Vater wird versetzt, Kind bleibt sitzen“. Wer glaubt, die Versetzung in den Kongo sei der ultimative GAU, der ist offenbar noch nicht mit schulpflichtigen Kindern von Bremen nach München gezogen. Die euphemistisch „Föderalismus“ genannte regionale Zersplitterung Deutschlands sei von den alliierten Besatzungsmächten nach Ende des 2. Weltkrieges als perfides Instrument angewandt worden, um das nieder geworfene Deutsche Reich als Kleinstaatenbund dauerhaft am Boden zu halten. Auf dass es sich dauerhaft mit sich selbst beschäftige – das jedenfalls behaupten böse Zungen. Wie es scheint, ist dieses Vorhaben glänzend gelungen. Die Erfahrungen, die der mobile Bürger mit den verschiedenen Schulwesen der deutschen Länder macht, legen diesen Verdacht jedenfalls nahe. Nun, einige unserer ehemaligen Feinde und neuen Freunde haben da ja auch ihre einschlägigen Erfahrungen in ihren tragischerweise verloren gegangenen Kolonien machen können – als Übungsterrain sozusagen.

Aber was soll’s? Alte Zöpfe gehören abgeschnitten. Warum auch an der Scholle kleben. Wir leben eben nicht mehr als Bauern von, mit und in unserem Boden. Wer weiß denn noch, wie Erde riecht? Mal ehrlich, sehen wir die „Natur“ denn nicht im Wesentlichen im Fernsehen, durch die Autoscheiben unserer schnellen Limousinen oder vielleicht noch im Zoo? Und die Paletten mit Stiefmütterchen, die wir im Frühling beim Gärtner kaufen und ins Vorgartenbeet setzen, damit es genau so knatsche-bunt aussieht, wie der ganzjährig mit bunten Plastik-Ostereiern behängte (später so schön rosa blühende) Zierpflaumenbaum, reißen wir im Herbst doch ohnehin wieder heraus und werfen sie auf den Müll. O.k., das können wir überall haben. Dafür müssen wir nicht in der heimischen Vorstadtsiedlung wohnen. Und überhaupt, schaut euch doch einmal die Nomaden der Steppe an. Bei denen geht es doch auch!

Hmmm, erst so zukunftsgerichtet und jetzt plötzlich dieser Rückgriff auf überholte Lebensformen. Aber gut, folgen wir dieser Aufforderung doch einmal für einen Moment: Die Nomaden, das sind die Menschen, die umherziehen, um nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu kommen. Es gibt unterschiedliche Formen des Nomadentum, die Beduinen der Wüste, die Nenzen im sibirischen Norden, die Yamana als Wassernomaden vor Kap Hoorn, die indonesischen Orang Laut als Seenomaden oder die pygmäischen Twa im Kongourwald. So unterschiedlich, dass wir uns für die nähere Betrachtung schon ein Beispiel heraussuchen müssen.

Vielleicht nehme ich den Durrani-Stamm, bei dem in im Jahre 1971 im Norden Afghanistans einmal zu Gast war. Sehr gastfreundlich waren sie tatsächlich. Nicht weil sie „nett“ gewesen wären. Nein es gehört zu ihrem Kodex, dem Wanderer, der um Schutz und Unterkunft bittet, beides zu gewähren und ihn darüber hinaus zu bewirten. Und tatsächlich wurde in angemessenem Abstand von den Frauenzelten ein Teppich auf dem Wüstenboden ausgebreitet, ein etwas streng schmeckendes reichhaltiges Abendbrot serviert und nachts schlief links und rechts von uns auf dem Teppich aufgereihten Travellern je ein bewaffneter Wächter. Frauen und Kinder bekamen wir natürlich nicht zu Gesicht. Auch das gehört zu ihrem Kodex. Und der ist ihnen sehr wichtig. Er bestimmt ihr Leben.

Sie ziehen tatsächlich sehr viel umher – zwischen Sommer- und Winterweide für ihre Tiere. Sie verweilen nicht so lange an einem Ort, dass sie „Wurzeln schlagen“ könnten. Sie haben nicht viel persönliche Habe – eine materiell arme Kultur sagt der Fachmann dazu. Geht ja auch nicht anders. Sie, besser ihre Kamele, müssen ja alles mit sich herum schleppen. Woher aber nehmen diese Menschen dann ihren Halt?

Nun, es ist der Kodex und damit der Clan, der Stamm. Da schleppen sie viel immaterielles Gepäck mit sich herum – eine reiche spirituelle Kultur. Tradition, Geschichten und Mythen sind sehr wichtig. Und ohne die Loyalität des Stammes, die natürlich den Einsatz des eigenen Lebens für die Sicherheit des Anderen einschließt, ist man schon fast tot. Ausgestoßen zu sein heißt – hieß es zumindest früher – zum Tode verurteilt zu sein.

Und darauf wollen wir verzichten? Natürlich wollen wir das. Denn anders wäre sie wieder da, die patriarchalische Großfamilie, die wir gerade überwunden haben. Aber was dann? Kommen wir wirklich so ganz frei schwebend ohne Einbettung in die Scholle oder Einbindung in den Stammesverband aus?

Wo doch auch unter uns, seit unvordenklichen Zeiten Sesshaften, die Mehrzahl nicht ohne den stützenden Glauben an einen gütigen Gott leben kann, der, um seinen 10 Verboten Nachdruck zu verleihen, so ganz nebenbei mit dem dauerhaften qualvollen Feuertod droht. Ja, um der wirksamen Einbindung in eine Gemeinschaft willen folgen wir sogar den Anweisungen seiner selbsternannten Stellvertreter, zahlen Ihnen Zins und zollen ihnen unsere Achtung. Die fatalen Folgen sind aus der Kenntnis der menschlichen Geschichte nur allzu gut bekannt: Bekehrung wider Willen und notfalls mit Gewalt, Religionskriege, Fundamentalismus, Extremismus. Denn das Absolute duldet nun einmal keine Konkurrenz ohne sich zum Banalen entzaubern zu lassen.

Ob wir uns da nicht überfordern? Oder soll später einmal das allumspannende Web mit seinem rund-um-die-Uhr-allways-on diese Lücke füllen? Wer’s weiß, sollte sich nicht zieren, es mir zu sagen.


Horst-Walther

2006-11-05

Unsere Zukunft in den Händen von Dropouts

Mein Freund und ehemaliger Mitschüler Gerd Rolfs hatte mich einmal – allerdings sehr im nachhinein – mit der Aussage erschreckt, dass unser Gymnasium wohl eher ein Straflager für andernorts gestrauchelte Lehrer gewesen sei.

Bei einigem Nachdenken erklärt dieser späte Hinweis tatsächlich einige Merkwürdigkeiten. Lehrer, die nur kurz auftauchten, mehr als in jener ländlichen Gegend ohnehin üblich dem Äthyl-Alkohol zugetan waren, gegen die örtlichen Gebräuche in ihren rostigen Gefährten nächtigten oder sonst wie auffällig waren.

Darüber, dass Mitglieder des Lehrkörpers, die wir als scharf bezeichneten, auch erkennbar scharf auf einige der Schülerinnen waren, war für uns Jungs zwar von einem gewissen Sensationswert, aber nicht wirklich von Interesse.

Eher wurde schon diskutiert, dass Mitschüler eingeladen wurden, mit auf Sauftour durch die lokalen Lokale zu gehen. Auch blieb uns unbedarften Dorfjungs schon damals nicht lange verborgen, dass es einigen unserer damaligen Lehrer nicht nur an pädagogischen Fähigkeiten fehlte. Die kann man bei Lehrern offenbar auch nicht erwarten. Nein, sie hatten auch offensichtliche fachliche Schwächen. Das wurde schnell offenbar, wenn sich doch einmal einer von uns für ein Thema interessierte und eine gewisse Fachexpertise aufgebaut hatte. An der Motivation fehlte es – mit rühmlichen Ausnahmen – aber fast allen.

Später an der Uni habe ich dann gemerkt, dass meine Vorbildung, mit Ausnahme des Faches Chemie, nicht dem entsprach, was als Voraussetzung angesehen wurde. In Chemie war es übrigens auch nicht das Verdienst des Lehrers gewesen. Der war eher eine „Flasche“ und wurde entsprechend auch kaum wirklich ernst genommen. Nein, ernst genommen hatte ich irgendwann einmal den Inhalt des Faches selber, einige Chemiebücher in meiner freien Zeit durchgelesen und fortan am Unterricht nicht mehr teilgenommen. Das auf Bitten des Lehrers, nachdem ich die Chemiestunden einige Monate lang total dominiert hatte.

Das eigentliche Entsetzen folgt aber erst jetzt mit großer Verzögerung. Nachdem die eigenen Kinder, wiewohl ganz andere Charaktere als ich damals, Geschichten erzählen, die den meinen gleichen, dämmert die Erkenntnis, dass es sich hier nicht (nur) um meine persönlichen Macken oder die meiner „Lieblingsopfer“ unter den Lehrern handelte sondern um einen systematischen Misstand der Deutschen Nation.

Die sauerkrautbärtigen Baskenmützenträger in ihren ausgebeulten braunen Cordanzügen, die sich in der modernen Welt nicht mehr so richtig zurecht fanden, waren eben tendenziell eher Zivilisationsflüchtlinge, die diesen lax geführten Staatsdienst als Chance für die innere Emigration nutzten als dass der Zufall uns hat Nieten ziehen lassen.

Und diese Haltung hat System. Sie ist nicht auf Lehrer beschränkt, die ihr freizeitorientiertes Berufsbild in diese Nische gezogen hat. Es gehören, wenn ein Misstand zu beklagen ist, immer zwei Seiten dazu. Auch die entsprechenden Behörden hatten nichts dagegen, dass die unterrichtsfreie Zeit von den Lehrern zu Ferien umgedeutet wurden – mit der Folge, dass die Pauschalreisen in alle Welt und die Ferienhäuser in der damals noch billigen Ost-Algarve von Lehren dominiert wurden. Denn wer sonst hatte so viel „freie“ Zeit.

Das fängt bei der Ausbildung an: ein Mathematik- oder Chemielehrer ist nicht etwa ein Mathematiker oder Chemiker mit einer Zusatzausbildung in Pädagogik. Nein, sie durchlaufen eine völlig gesonderte Schmalspurausbildung, die sich besonders durch fruchtloses Diskutieren auszeichnet. Und zu dieser Laufbahn findet sich nur bereit, wer sonst nirgendwo landen kann oder den Wettbewerb eines ernsthaften Berufes scheut. Ein Auffangbecken für drop-outs also. Entsprechend gering auch ist das Ansehen von Lehrern in der Gesellschaft.

Aber was ist das für eine Gesellschaft, die so etwas mit sich machen lässt – oder besser – die so etwas betreibt. Mehr als je zuvor ist Europa darauf angewiesen, im Wettbewerb der Köpfe und Ideen, die Nase vorn zu haben. Kreativität und Innovation können uns mit den Waffen vorsorgen, die wir im Wettbewerb mit den aufstrebenden Industrienationen des Ostens mit ihrem ungeheuren Potential an ausgebildeten und ehrgeizigen Menschen, benötigen.

Statt dessen geben wir die Zukunft unserer Kinder und damit unsere Zukunft in die Hände von Randexistenzen. Und selbst wenn wir über die Schule schimpfen, weil es doch gute Tradition ist, nichts von ihr zu halten, so fahren wir doch lieber selber im Mercedes die drei Kilometer bis zu unserer Arbeitstätte, als unsere Kinder auf eine Privatschule zu schicken und selber das Fahrrad zu nehmen. Ein Blick nach Asien könnte uns dabei lehren, dass andere Nationen sehr wohl anders handeln können – und das mit langfristigem Erfolg.

Es sei zugegeben, so eingeschlafen, wie zu meiner Schulzeit sind wir nicht mehr. Im Gegenteil Deutschland ist aufgeschreckt aus seinem Schlafmützentraum vom Sozialstaat. Kopf- und orientierungslos geben wir jetzt uns und allen anderen die Schuld dafür, dass wir aus dem Paradies des postkolonialen weltwirtschaftlichen Ungleichgewichts verdrängt worden sind. Solange wir aber nicht begreifen, dass wir nur die Besten an die Ausbildung unserer Kinder lassen dürfen, nur die klügsten Köpfe und die fähigsten Hände, an der Stelle von bejammernswerten Weltflüchtlingen, solange haben wir nicht begriffen, wo die Ursachen unseres Abstiegs liegen. Solange können wir auch nichts Wirksames dagegen tun.

Horst-Walther

2006-06-28

Ist Bruno nicht umsonst gestorben?

Viele hatten insgeheim mit diesem letzten Freibeuter gehofft und gebangt. Jetzt haben sich archaische Gefühle, die Mancher für überwunden hielt, in einer alpenländischen Bluttat manifestiert, die sicher noch die Gemüter bewegen wird.

Die Täter sind noch nicht bekannt, werden von mächtigen Sympathisanten geschützt. Irgendwann aber, vielleicht nach Jahren, werden sie enttarnt werden, werden sie mit Namen und Adresse an den world wide Pranger gestellt werden und dort gerichtet werden.

Auge um Auge, Zahn um Zahn? Ich, als Mann des Ausgleichs habe da einen Kompromissvorschlag: Lassen Sie uns ein Vorbild an den ethnischen Vietnamesen nehmen. Die siedeln nämlich traditionell in den Ebenen – von Meeresniveau bis etwa 100 m ü. NN. Teilen wir unser Land, diese knappe Ressource doch einfach und konsequent auf zwischen Mensch und Tier. Vielleicht sind 100 m als Höhenlinie der Selbstbeschränkung für uns traditionell dem Ruf der Berge folgenden Deutschen arg niedrig gegriffen. Aber 1000 m, das ist etwa ein km, das ist doch ein Wort oder?

Und so geht es: Unter 1000 m bleibt alles wie gehabt: Mensch darf Tier töten, soviel es ihm seine, aus eben diesem Tierreich ererbten, Triebe gebieten. Oberhalb von 1000 m aber ist es genau umgekehrt. Hier darf Tier mit Mensch instinktkonform verfahren. Und wenn (unser)einer doch dorthin geht, dann mit der Attitüde einer nach glimpflich abgelaufener Entführung in den Irak zurückkehrenden Susanne Osthoff.

Überzeugt Euch das? Dann sollte ein jeder von Euch hingehen und zu den Seinen sprechen und sie zu Jüngern ebendieser Idee machen – drei an der Zahl ein jeder und trage ihnen auf, es ihm gleich zu tun: drei Jünger an der Zahl ein jeder. So gehe es fort und fort als bis die Welt bekehret sei.

Zum Zeichen seiner Gesinnung trage der Jünger ein schwarzes Gummibärchen am Revers.

So, und nun gehet hin und verbreitet das Wort in alle Welt, auf dass Bruno in den Herzen der Gerechten weiterlebe.

HoWa, 2006-06-28