My near philosophical musings about the world in general its problems and possible ways out.

2007-02-21

Dämpfer oder Sprache

oder: mehr Worte, weniger Taten!

Kennen Sie Pilz, den großen Dämpfer? Nein? Sollten Sie aber. Gottlieb Theodor Pilz – das weiß die Menschheit, seitdem der legendäre Wolfgang Hildesheimer ihm vor einem halben Jahrhundert in seinen „Lieblosen Legenden“ ein unumstößliches Denkmal setzte – war ein Zeitgenosse Beethovens und ging als der große Dämpfer in die Geschichte ein. Zahlreiche Dichter, Komponisten und Künstler hielt er mit Erfolg davon ab, mehr als nötig schöpferisch tätig zu sein. Pilz überredete Friedrich Ludwig Jahn (den Turnvater Jahn), keinen „Hermannschlachts“-Dramenzyklus zu verfassen, legte Mendelssohn und Schumann nahe, nicht mehr als vier Sinfonien zu schreiben (was bekanntlich auch auf Brahms abfärbte) und wirkte bis zu seinem plötzlichen Tod am 12. September 1856 als weiser Verhinderer weiterer Werke, nach dem Motto: „Mehr Worte, weniger Taten.“ Was blieb der Kulturgeschichte dank Pilz nicht alles erspart: ein stilles Genie, das laut Hildesheimer völlig zu Unrecht in Vergessenheit geriet und leider so gar nicht Schule machte. Es soll sogar Leute geben, die behaupten, Hildesheimer habe diesen Pilz einfach erfunden.

Daher meine mahnenden Worte an Sie: Gehen Sie bei dem Meister in die Lehre und dämpfen Sie sich selbst! Meiden Sie die Gefahren des frühen Ruhms! Riskieren Sie keinen Literaturmüll! Versprechen Sie weniger Taten und, wenn möglich, auch gleich weniger Worte.

Die ganz großen Literaten sind wohl die, die uns nicht noch ein Monsterlebenswerk zumuten, um das sich dann, wie Geschwülste, ein Kranz von Sekundär- und Tertiärliteratur rankt. Aber wenn Sie es schon nicht lassen können, dann schreiben sie wenigsten nur ein kleines Werk – kein großes!

Und verwenden Sie eine gutmütige, leicht eingängige Sprache ohne Arglist und Heimtücke. Verwenden Sie eine einfache, aktive und klare Sprache

Vermeiden Sie die ung-Krankheit (Nominalstil), das Substantivieren. Wörter, die auf -ung, -heit, -scheit, -keit enden und bekanntlich groß geschrieben werden müssen, machen Sätze hölzern und schwer verständlich. Sie sind Kennzeichen des Amtsdeutsch. Warnsignal ist das Verlegenheitswort „erfolgen“. Dieses Wort hat der Amtschimmel erfunden. Dieses Wort sagt nichts aus. Ich habe es in den Giftschrank gesperrt (Daher die Anführungszeichen).Denn nichts auf dieser Welt „erfolgt“ einfach so. Immer tut jemand etwas. Aber wenn Sie alle Verben zu Substantiven (mit -ung) gemacht haben, dann bleibt Ihnen oftmals nur noch der fatale Griff zum „erfolgen“. Spätestens, wenn Ihnen dabei das Kunststück „Erfolgung“ gelingt, sollten Sie wach werden.

Vermeiden Sie Amtsdeutsch. Die Kanzleisprache will Respekt verschaffen, sie will einschüchtern. Ich hoffe, das wollen Sie nicht. Sie wollen Information transportieren, wollen überzeugen. Kennzeichen von Amtsdeutsch sind passive Sätze, Weglassen des handelnden Subjektes und der Nominalstil (Ung-Krankheit).

Dann gibt es noch die leidige Rechtschreibung -schalten Sie doch bitte den Spelling Checker ein, den ihres Textprogramms oder Ihren eigenen - aber verlassen Sie sich nicht auf ihn. Erist manchmal gnadenlos dumm. Auch Grammatik-Checker können heute bereits wirksame Hilfestellungen liefern und genauso auch versagen. Übrigens – das scheint bei der gespielten Aufregung um die angebliche Rechtschreibreform in Vergessenheit geraten zu sein – es gibt tatsächlich eine amtliche Rechtschreibung. Da weiß im Zweifel MS-Word mehr als so mancher Vielschreiber.

Vermeiden Sie Füllwörter wie „wohl“, „quasi“, „eigentlich“, „letztendlich“, „gewissermaßen“, ..., die keine eigenständige Aussage haben und stattdessen die Aussagekraft der Argumente abschwächen. Ihr Weglassen macht die Botschaft deutlicher, schärfer und damit häufig erst eindeutig. Das ist es, was viele Autoren gerade fürchten. Ihnen fehlt „eigentlich“ der Mut zu klaren Aussagen. Daher verstecken sie sich hinter abschwächenden Füllwörtern.

Wie halten Sie es mit dem Dialekt? Machen Sie sich klar, in welcher Sprache Sie schreiben wollen. Deutsch? Klar doch, aber welches Deutsch? Deutschland-Deutsch, Österreichisch oder Schweizerisches Hochdeutsch? Sie wissen doch: Nichts trennt Deutsche und Österreicher so sehr wie die gemeinsame Sprache. Ihr Sprachschatz unterscheidet sich in Wortschatz und Grammatik. Also wenn sie in Österreich als Deutscher schreiben wollen, dann schreiben sie auch reines und ungemischtes Deutsch. Wenn von Ihnen aber ein Österreichisches Dokument verlangt wird, dann bemühen Sie sich bitte um die „etwas andere“ Sprache. Umgekehrt vermeiden sie in Deutschland die Verwendung von Austrozismen und anderen Dialekteinsprengseln. Es sei denn, Sie wollen damit einen besonderen Effekt erzielen.

Manchmal ist Weniger mehr. Machen Sie den Test: Sehen sie sich im Nachhinein einen Ihrer Texte an und versuchen Sie so viele Elemente wie möglich davon wegzulassen, ohne dass die Aussage darunter leidet. Beispielsweise können Sie wichtigtuerische Attribute wie „grundsätzlich“ auch ebenso grundsätzlich weglassen – und Sie werden sehen: Die Aussage wird dadurch stärker.

Eine der beliebten selbstgestellten Fallen ist eine gestelzte Sprache. Vermeiden Sie gestelzte Ausdrücke wie ... „beinhalten“ anstelle von „enthalten“, „Angebot unterbreiten“ anstelle von „anbieten“, „in Anwendung bringen“ statt „anwenden“.... Solche Wort-Fieslinge wirken aufgeblasen, eben gestelzt.

Wie wollen Sie mit Abkürzungen und Akronymen umgehen? Die erste Regel lautet: Vermeiden. Lassen sie sich nicht vermeiden, so sind sie an der, vom logischen Lesefluss her, ersten Stelle ihres Auftretens einmal zu erläuterten. Beispiel: „Der Aküfi (Abrzungsfimmel)ist keine Zier.“ Führen Sie zusätzlich ein Abkürzungsverzeichnis, in dem Sie Abkürzungen und Akronyme erläutern.

Und denken Sie an den guten Gottlieb Theodor Pilz. Überlegen Sie ob Sie mit Ihrem Vorhaben einen (positiven) Beitrag zu unserer kulturellen Weiterentwicklung leisten. Es muss ja nicht immer Schreiben sein. Denn das muss ja immer irgendwer auch lesen. Sie könnten doch einmal etwas anders tun. Setzen Sie sich doch einfach einmal in die Sonne und … (nein, kein „und“ – nur das!).

Gottlieb Theodor Pilz gilt übrigens als Pionier des „In-der-Sonne-Sitzens“. Sie müssen also kein schlechtes Gewissen haben. Verweisen Sie einfach auf einfach auf Ihr berühmtes Vorbild, Pilz den Dämpfer.

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