Es gibt Jahre, da leben wir still und privat vor uns hin und niemand interessiert sich für unsere Meinung. Es reicht, dass wir freundlich grüßen und einfach erträgliche Zeitgenossen sind, die Niemanden in der Verfolgung seiner täglichen Interessen stören.
Gelegentlich aber wird es Zeit, seine Stimme zu erheben und Stellung zu beziehen. Etwa zu Zeiten, wenn der Ruf „Wir sind das Volk!“ in den Straßen verebbt und im Hintergrund gut gekleidete und noch besser genährte Herren mit dicker Zigarre aus ihren dunklen Limousinen steigen und kontern: “O.k., dann sind wir die Herren!“ Wenn wieder einmal Opium ans Volk verteilt werden soll. Getreu dem Gedanken, dass eine unmündige Masse von den wenigen Verständigen gelenkt werden muss - Elite vs. Masse der Dumpfbacken also.
Wie unerträglich muss diese Welt für viele unserer Mitbürger geworden sein, wenn sie schon Zuflucht so aberwitzigen Theorien, wie dem "Intelligent Design" (I.D.) suchen. „God vs. Science“ titelte das US-Magazin Time am 5. November 2006. Es geht dabei allen Ernstes um eine irrwitzige Kontroverse Evolution versus Schöpfung. Wird die Wissenschaft wieder abgeschafft oder – vorwärts ins Mittelalter – auf Theologie reduziert?
Richard Dawkins ist einer der Wissenschaftler, die ich seit meiner Kindheit für ausgestorben hielt. Damals fragte ich meinen Vater: „Wie kann ein Wissenschaftler denn an Gott glauben?“ Seither haben „die Wissenschaftler“, wenn es einen solchen Menschenschlag denn geben sollte, in meinem Ansehen stark gelitten. Ein rationaler Mensch stellt sich seinen Fragen und betäubt seine Zweifel nicht einfach, indem er Ihnen mit dem Dogma eines Allmächtigen ein radikales Ende setzt. Doch sind Wissenschaftler zwar möglicherweise (partiell) kluge Köpfe, die beim Lösen von Aufgaben einfach einen „Gang höher“ schalten und mehr Wissen zur Verfügung haben als gewöhnliche Sterbliche – aber rational denken müssen sie deshalb nicht zwangsläufig. Richard Dawkins aber ist so einer, der auch noch die seltene Tugend besitzt, die Zivilcourage aufzubringen, seine so selbstverständliche wie für Viele schockierende Meinung öffentlich zu sagen.
Oder ist vielleicht doch alles ganz anders? Hat etwa das Noodle-Monster, auch Fliegendes Spaghettimonster (Flying Spaghetti Monster, kurz: FSM), genannt, die Welt erschaffen? Der 25-jährige Physiker Bobby Henderson nahm die Vorstöße der Kreationisten in den USA mit Humor – und traf auf eine unerwartete Resonanz. Immerhin, Konkurrenz belebt das Geschäft – im edlen Wettstreit um das intelligentere Design.
Oder ist Religion nicht doch einfach nur „Opium fürs Volk“ - gleich gefährlich, in gleicher Weise betäubend und ähnlich unverzichtbar? Ist sie nicht einfach eines der Instrumente der „Unterdrückung der Massen“? Reicht es nicht langsam, welches Leid speziell die drei extrem gewalttätigen vorderasiatischen Religionen über unsere Welt gebracht haben? Mit ihrem Bekehrungswahn, dem Djihad bei jedem falschen Räuspern und dem fatalen Glauben an das Auserwähltsein eines einzigen Volkes haben sie Ströme von Blut fließen lassen.
Wir Europäer haben da gewiss keine rühmliche Historie vorzuweisen – aber wir (oder einige kluge Köpfe unter uns) haben etwas daraus gelernt.
Aufklärung, Trennung von Staat und Kirche, Säkularismus, Demokratie – alles hart erkämpfte und teuer erkaufte rein europäische Errungenschaften für die es nirgendwo sonst auf der Welt Parallelen gibt. Das sind die wahren europäischen Grundwerte – dumpfen Spiritismus können alle anderen auch – und besser sogar noch.
Da müssen wir jeder restaurativen Gegenbewegung den Riegel vorschieben und schon dem Versuch entgegentreten, die Massen der Fernsehfußballgucker und Bildzeitungsleser mit rückwärts gewandtem Gedankengut einzulullen.
Die Forderung nach einem Gottesbezug in der Europäischen Verfassung ist so ein Fall oder die Forderung einer Ursula von der Leyen, den Religionsunterricht in (staatlichen!) Schulen verpflichtend zu machen.
Religion darf schon sein – wenn es sie denn nicht zu vermeiden ist. Aber bitte schön ganz strikt als reine Privatsache. Jeder Ausbruch in den öffentlichen Raum muss scharf bekämpft werden. Privat darf jeder Kreuz, Schleier, Turban oder sonst einen Ausdruck seiner religiösen Überzeugung tragen. Und diesen Privatbereich sollten wir auch ausdrücklich respektieren und ehren – solange er auch privat bleibt.
Hoheitlichen Kräften, also beispielsweise Richtern, Polizisten, Lehrern muss das in ihrer Dienstzeit natürlich verwehrt bleiben. Andernfalls können sie ihre Aufgabe nicht wahrnehmen. Und – überflüssig zu sagen – Kruzifixe, brutale Folterszenen aus einer archaischen Vorzeit, gehören nicht in die Schule, den Ort also, wo unsere Zukunft geschmiedet wird.
Auch wir nüchternen Deutschen haben da Nachholbedarf. Deutschland ist von seiner Verfassung kein rein säkularer Staat – das muss er erst noch werden.
Horst-Walther
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