My near philosophical musings about the world in general its problems and possible ways out.

2007-02-25

Säkularismus

Das Ringen der Welten

Eines muss ich zugeben, wir haben einen gebildeten, geradezu intellektuellen Papst. Und mutig ist er noch obendrein. Papst, schon wieder Papst? Hatten wir das nicht schon einmal an dieser Stelle? Um keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen: Religiös bin ich nicht und auch sonst nicht krank.

Was sagte er doch neulich (oder war es unlängst?) „Der Islam heute steht da, wo das Christentum vor der Aufklärung stand.“

Oh je, dachte ich gleich. Das gibt doch sicher wieder Djihad, was auch sonst?

Die Aufklärung? Wie sagte Immanuel Kant? Sie sei der „Ausgang der Menschheit aus unverschuldeter Unmündigkeit“ – na ja, offenbar noch nicht für die gesamte Menschheit. Für mich ist sie die Wurzel des modernen Europa. Was sonst unterscheidet Europa – positiv – vom Rest der Menschheit? Während anderswo Philosophie und Religion nicht auseinander gehalten werden können oder vom „gerechten König“ (kann es einen größeren Widerspruch geben?) gefaselt wird, haben hier schon vor mehr als 300 Jahren Mutige die Trennung von Staat und Kirche, die bürgerlichen Freiheitsrechte und überhaupt erst Gedankenfreiheit gefordert. Auch sie waren permanent von einer Art Fatwa bedroht. Das war eine wahrhaft antiautoritäre Zeit. Statt an Autoritäten zu glauben wollte man sich nach einem Satz von Kant „seines eigenen Verstandes zu bedienen“. Was für eine aufregende Zeit. Unser heutiges Grundgesetz ist letztlich die Spätfolge der Unbotmäßigkeit und Aufmüpfigkeit jener Zeit.

Klar, das gibt es im Islam nicht. Das gibt es aber auch im Christentum nicht – jedenfalls weder freiwillig noch vollständig. Immer wieder versuchen restaurative Kräfte an dem von unseren revolutionären Vorvätern – durchaus mit ihrem Blute – erkämpften Freiheiten zu rütteln, sich mehr oder weniger heimlich in Alltag, Verwaltung, Staat einzuschmuggeln. Ob eine Ursula Gertrud von der Leyen, von Amtes wegen Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (was für eine seltsame Sammlung!) nun das Beten im Kindergarten fordert. Ob ein Vizepräsident des Deutschen Bundestages Norbert Lammert den Gottesbezug in der Europäischen Verfassung fordert. Oder das sonst so schöne Deutsche Grundgesetz leider keinen säkularen Staat definiert, sondern eine krude Mischung aus Meinungsfreiheit bei Bevorzugung der Christlichen Botschaft – immer sind die bösen Gegenkräfte am Werke.

Ironie, dass nun ausgerechnet ein Vertreter jener Seite, die immer damit gehadert hatte, dass man sie in den Privatbereich verbannen wollte, den aufmüpfigen Freiheitsdrang adelt. Nur merkt das sich in Sicherheit wiegende Fußball-Fernseh-Autofahrer-Volk vermutlich noch lange nichts. Und die intellektuelle „Elite“ entpuppt sich auch eher als Karrieristenverein.

Schlaft ruhig weiter. Vielleicht muss Euch wirklich erst ein Djihad wecken!

Horst-Walther

2007-02-24

Das Meeting

oder die große ToDo-Schleuder.

Haben Sie schon einmal an einem Meeting teilgenommen? Was für eine blöde Frage? Das muss doch jeder Berufstätige über sich ergehen lassen. Selbst Menschen, die sich noch daran freuen können, mit ihren eigenen Händen etwas Sinnvolles zu schaffen oder der freiheitsliebende Außendienstmitarbeiter – Alle müssen da immer wieder durch. Umso wichtiger ist die richtige Überlebensstrategie.


Wichtig ist der optimale Sitzplatz. Er muss strategisch gewählt werden: Nicht auf der Seite eines der Kontrahenten, sondern abseits, notfalls dazwischen. Wichtig ist ein freier Blick, am besten ein Blick ins Freie. Das entspannt. Dieser blaue Zwischenraum zwischen den dahineilenden Wolken. Wäre er ohne die Wolken noch genauso schön? Woher mögen sie kommen? Wohin mögen sie ziehen? Wie lange werden sie existieren, bevor sie vergehen? Und wir dagegen? Ist nicht alles „was uns groß und wichtig erscheint“ dagegen „nichtig und klein“? Das ist schon ‚mal die geeignete innere Verfassung, um dem kommenden Hick-Hack x n (eben n mal hick - hack - hick - hack …) ausreichend gelassen zu begegnen.

Dann die Ausrüstung: Kaffee, Wasser, Schreib- und Lesematerial sind rechtzeitig zu beschaffen. Und bitte aufmerksam mitschreiben, aber nicht zwangsläufig das, was hier verhandelt wird. Nichts ist so aufregend, dass es notwendig wäre es auf jungfräulichem Papier mit der eigenen Hand festgehalten zu werden. Aber wollte ich nicht ohnehin den einen oder anderen Gedanken festhalten, oder eine Studie, einen Artikel entwerfen, eine Management Summary schreiben? Hier ist die passende Gelegenheit. Kein Anruf wird sie stören, kein Chef mit einer neuen blöden Idee hereinstürmen – aber weg können Sie ja auch nicht. Als Vorsichtsmaßnahme und weil es die Höflichkeit erfordert: Von Zeit zu Zeit aufmerksam zum aktuellen Sprecher aufsehen und der Runde mit den Grunztönen des „strukturierten Schweigens“ (Kopf nicken, Kopf wiegen, Hmmm, oh, aha, interessant!, …) zu verstehen geben, dass Sie gewissermaßen an seinen Lippen hängen – sie müssen ohnehin hin und wieder etwas überlegen.

Beobachtungen regen an. Was macht der kleine Türkenjunge drüben auf dem grauen und kahlen Balkon? Über dem Geländer ist der Balkon mit Maschendraht abgeriegelt. Er Junge sitzt im Käfig und hüpft wie ein gefangenes Kaninchen darin hin und her. Spiel oder Wahnsinn? Auch er also eingesperrt. So hat jeder seine Not. Unter ihm die Blätter der Ahornbäumchen am Straßenrand. Dann - ein silberheller Strahl blitzt plötzlich in einem sonnigen Augenblick auf. Der Junge fühlt sich erleichtert, der Baum hat alles aufgefangen. Alles? Wenn später einmal ein versprengter Tropfen einen Passanten treffen wird, so wird der keinen Zusammenhang mehr herstellen können.

Wir sind Tatmenschen. In Meetings werden Entscheidungen getroffen, Verantwortungen zugewiesen, Aufträge, die berüchtigten ToDo’s, verteilt. In hektischen Zeiten ist das Meeting der Leiter aller Teilprojekte eine einzige große ToDo-Schleuder. Wegducken reicht da nicht. Hier sind ausgefeilte Taktiken gefragt, will man nicht als der hämische „gelobte“ Lastesel dastehen. Den Erfolg, auch den scheinbaren, stecken eh immer nur die professionellen Dampfredner ein. Wer ein Problem auf den Tisch bringt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für dessen Lösung verhaftet. Aber auch der Unscheinbare ist in Gefahr. Hat er doch noch nicht überzeugend seine Arbeitslast und sein unternehmenskritisches Engagement dargelegt. Die nächste Regel also: „Ein jeder habe seinen überzeugenden Auftritt.“ – aber möglichst auf einem Nebenschauplatz.

Eine schwarze Wolke schiebt sich vor die Sonne. Ist das vielleicht die wandernde Schuld, die sich jetzt einen – virtuellen – Sündenbock sucht? Nehmen wir es lieber als solidarischen Fingerzeig eines höheren Wesens. Gefahr ist im Verzug, danke. Ja, wir sind ehrgeizig. Wir haben uns viel vorgenommen. Das folgerichtige Versagen ist nicht immer leicht zu überdecken – auch wenn wir darin besondere Fertigkeiten entwickelt haben. Um damit leben zu können, müssen wir von Zeit zu Zeit einen von uns „in die Wüste schicken“. Einen von uns, wie weiland die alten Israeliten einen Ziegenbock. Sie überhäuften ihn mit Schimpf und Schande und all ihren „Sünden“ und trieben den Ahnungslosen rituell abgesichert seinem sicheren Verderben entgegen als Sündenbock in die Wüste. Vielleicht ist es also wieder so weit – einer von uns.

Jetzt aber ist ein neues Gesicht in der Runde aufgetaucht. Einer meiner Chefs in meiner n-dimensionalen Führungsmatrix platzt freudestrahlend mit einem noch echt frisch aussehenden Newcomer in unser inzwischen leicht verspannt wirkendes Managementspiel. Er sieht noch frisch und arglos aus. Ein unbeschriebenes Blatt. Wie wird er sich entwickeln? Ein neuer Sündenbock? Nein, ob echt oder vorgetäuscht, zunächst einmal bekommt hier jeder seine Chance. Er wird eingebunden. Es wird reorganisiert. Die Karten werden neu gemischt. Die Minen entspannen sich wieder. Bis zum nächsten Mal.

Horst-Walther

2007-02-21

Dämpfer oder Sprache

oder: mehr Worte, weniger Taten!

Kennen Sie Pilz, den großen Dämpfer? Nein? Sollten Sie aber. Gottlieb Theodor Pilz – das weiß die Menschheit, seitdem der legendäre Wolfgang Hildesheimer ihm vor einem halben Jahrhundert in seinen „Lieblosen Legenden“ ein unumstößliches Denkmal setzte – war ein Zeitgenosse Beethovens und ging als der große Dämpfer in die Geschichte ein. Zahlreiche Dichter, Komponisten und Künstler hielt er mit Erfolg davon ab, mehr als nötig schöpferisch tätig zu sein. Pilz überredete Friedrich Ludwig Jahn (den Turnvater Jahn), keinen „Hermannschlachts“-Dramenzyklus zu verfassen, legte Mendelssohn und Schumann nahe, nicht mehr als vier Sinfonien zu schreiben (was bekanntlich auch auf Brahms abfärbte) und wirkte bis zu seinem plötzlichen Tod am 12. September 1856 als weiser Verhinderer weiterer Werke, nach dem Motto: „Mehr Worte, weniger Taten.“ Was blieb der Kulturgeschichte dank Pilz nicht alles erspart: ein stilles Genie, das laut Hildesheimer völlig zu Unrecht in Vergessenheit geriet und leider so gar nicht Schule machte. Es soll sogar Leute geben, die behaupten, Hildesheimer habe diesen Pilz einfach erfunden.

Daher meine mahnenden Worte an Sie: Gehen Sie bei dem Meister in die Lehre und dämpfen Sie sich selbst! Meiden Sie die Gefahren des frühen Ruhms! Riskieren Sie keinen Literaturmüll! Versprechen Sie weniger Taten und, wenn möglich, auch gleich weniger Worte.

Die ganz großen Literaten sind wohl die, die uns nicht noch ein Monsterlebenswerk zumuten, um das sich dann, wie Geschwülste, ein Kranz von Sekundär- und Tertiärliteratur rankt. Aber wenn Sie es schon nicht lassen können, dann schreiben sie wenigsten nur ein kleines Werk – kein großes!

Und verwenden Sie eine gutmütige, leicht eingängige Sprache ohne Arglist und Heimtücke. Verwenden Sie eine einfache, aktive und klare Sprache

Vermeiden Sie die ung-Krankheit (Nominalstil), das Substantivieren. Wörter, die auf -ung, -heit, -scheit, -keit enden und bekanntlich groß geschrieben werden müssen, machen Sätze hölzern und schwer verständlich. Sie sind Kennzeichen des Amtsdeutsch. Warnsignal ist das Verlegenheitswort „erfolgen“. Dieses Wort hat der Amtschimmel erfunden. Dieses Wort sagt nichts aus. Ich habe es in den Giftschrank gesperrt (Daher die Anführungszeichen).Denn nichts auf dieser Welt „erfolgt“ einfach so. Immer tut jemand etwas. Aber wenn Sie alle Verben zu Substantiven (mit -ung) gemacht haben, dann bleibt Ihnen oftmals nur noch der fatale Griff zum „erfolgen“. Spätestens, wenn Ihnen dabei das Kunststück „Erfolgung“ gelingt, sollten Sie wach werden.

Vermeiden Sie Amtsdeutsch. Die Kanzleisprache will Respekt verschaffen, sie will einschüchtern. Ich hoffe, das wollen Sie nicht. Sie wollen Information transportieren, wollen überzeugen. Kennzeichen von Amtsdeutsch sind passive Sätze, Weglassen des handelnden Subjektes und der Nominalstil (Ung-Krankheit).

Dann gibt es noch die leidige Rechtschreibung -schalten Sie doch bitte den Spelling Checker ein, den ihres Textprogramms oder Ihren eigenen - aber verlassen Sie sich nicht auf ihn. Erist manchmal gnadenlos dumm. Auch Grammatik-Checker können heute bereits wirksame Hilfestellungen liefern und genauso auch versagen. Übrigens – das scheint bei der gespielten Aufregung um die angebliche Rechtschreibreform in Vergessenheit geraten zu sein – es gibt tatsächlich eine amtliche Rechtschreibung. Da weiß im Zweifel MS-Word mehr als so mancher Vielschreiber.

Vermeiden Sie Füllwörter wie „wohl“, „quasi“, „eigentlich“, „letztendlich“, „gewissermaßen“, ..., die keine eigenständige Aussage haben und stattdessen die Aussagekraft der Argumente abschwächen. Ihr Weglassen macht die Botschaft deutlicher, schärfer und damit häufig erst eindeutig. Das ist es, was viele Autoren gerade fürchten. Ihnen fehlt „eigentlich“ der Mut zu klaren Aussagen. Daher verstecken sie sich hinter abschwächenden Füllwörtern.

Wie halten Sie es mit dem Dialekt? Machen Sie sich klar, in welcher Sprache Sie schreiben wollen. Deutsch? Klar doch, aber welches Deutsch? Deutschland-Deutsch, Österreichisch oder Schweizerisches Hochdeutsch? Sie wissen doch: Nichts trennt Deutsche und Österreicher so sehr wie die gemeinsame Sprache. Ihr Sprachschatz unterscheidet sich in Wortschatz und Grammatik. Also wenn sie in Österreich als Deutscher schreiben wollen, dann schreiben sie auch reines und ungemischtes Deutsch. Wenn von Ihnen aber ein Österreichisches Dokument verlangt wird, dann bemühen Sie sich bitte um die „etwas andere“ Sprache. Umgekehrt vermeiden sie in Deutschland die Verwendung von Austrozismen und anderen Dialekteinsprengseln. Es sei denn, Sie wollen damit einen besonderen Effekt erzielen.

Manchmal ist Weniger mehr. Machen Sie den Test: Sehen sie sich im Nachhinein einen Ihrer Texte an und versuchen Sie so viele Elemente wie möglich davon wegzulassen, ohne dass die Aussage darunter leidet. Beispielsweise können Sie wichtigtuerische Attribute wie „grundsätzlich“ auch ebenso grundsätzlich weglassen – und Sie werden sehen: Die Aussage wird dadurch stärker.

Eine der beliebten selbstgestellten Fallen ist eine gestelzte Sprache. Vermeiden Sie gestelzte Ausdrücke wie ... „beinhalten“ anstelle von „enthalten“, „Angebot unterbreiten“ anstelle von „anbieten“, „in Anwendung bringen“ statt „anwenden“.... Solche Wort-Fieslinge wirken aufgeblasen, eben gestelzt.

Wie wollen Sie mit Abkürzungen und Akronymen umgehen? Die erste Regel lautet: Vermeiden. Lassen sie sich nicht vermeiden, so sind sie an der, vom logischen Lesefluss her, ersten Stelle ihres Auftretens einmal zu erläuterten. Beispiel: „Der Aküfi (Abrzungsfimmel)ist keine Zier.“ Führen Sie zusätzlich ein Abkürzungsverzeichnis, in dem Sie Abkürzungen und Akronyme erläutern.

Und denken Sie an den guten Gottlieb Theodor Pilz. Überlegen Sie ob Sie mit Ihrem Vorhaben einen (positiven) Beitrag zu unserer kulturellen Weiterentwicklung leisten. Es muss ja nicht immer Schreiben sein. Denn das muss ja immer irgendwer auch lesen. Sie könnten doch einmal etwas anders tun. Setzen Sie sich doch einfach einmal in die Sonne und … (nein, kein „und“ – nur das!).

Gottlieb Theodor Pilz gilt übrigens als Pionier des „In-der-Sonne-Sitzens“. Sie müssen also kein schlechtes Gewissen haben. Verweisen Sie einfach auf einfach auf Ihr berühmtes Vorbild, Pilz den Dämpfer.

2007-02-19

Braucht das Volk Opium?

Es gibt Jahre, da leben wir still und privat vor uns hin und niemand interessiert sich für unsere Meinung. Es reicht, dass wir freundlich grüßen und einfach erträgliche Zeitgenossen sind, die Niemanden in der Verfolgung seiner täglichen Interessen stören.

Gelegentlich aber wird es Zeit, seine Stimme zu erheben und Stellung zu beziehen. Evolution vs. CreationEtwa zu Zeiten, wenn der Ruf „Wir sind das Volk!“ in den Straßen verebbt und im Hintergrund gut gekleidete und noch besser genährte Herren mit dicker Zigarre aus ihren dunklen Limousinen steigen und kontern: “O.k., dann sind wir die Herren!“ Wenn wieder einmal Opium ans Volk verteilt werden soll. Getreu dem Gedanken, dass eine unmündige Masse von den wenigen Verständigen gelenkt werden muss - Elite vs. Masse der Dumpfbacken also.

Wie unerträglich muss diese Welt für viele unserer Mitbürger geworden sein, wenn sie schon Zuflucht so aberwitzigen Theorien, wie dem "Intelligent Design" (I.D.) suchen. „God vs. Science“ titelte das US-Magazin Time am 5. November 2006. Es geht dabei allen Ernstes um eine irrwitzige Kontroverse Evolution versus Schöpfung. Wird die Wissenschaft wieder abgeschafft oder – vorwärts ins Mittelalter – auf Theologie reduziert?

Richard Dawkins ist einer der Wissenschaftler, die ich seit meiner Kindheit für ausgestorben hielt. Damals fragte ich meinen Vater: „Wie kann ein Wissenschaftler denn an Gott glauben?“ Seither haben „die Wissenschaftler“, wenn es einen solchen Menschenschlag denn geben sollte, in meinem Ansehen stark gelitten. Ein rationaler Mensch stellt sich seinen Fragen und betäubt seine Zweifel nicht einfach, indem er Ihnen mit dem Dogma eines Allmächtigen ein radikales Ende setzt. Doch sind Wissenschaftler zwar möglicherweise (partiell) kluge Köpfe, die beim Lösen von Aufgaben einfach einen „Gang höher“ schalten und mehr Wissen zur Verfügung haben als gewöhnliche Sterbliche – aber rational denken müssen sie deshalb nicht zwangsläufig. Richard Dawkins aber ist so einer, der auch noch die seltene Tugend besitzt, die Zivilcourage aufzubringen, seine so selbstverständliche wie für Viele schockierende Meinung öffentlich zu sagen.

Oder ist vielleicht doch alles ganz anders? Hat etwa das Noodle-Monster, auch Fliegendes Spaghettimonster (Flying Spaghetti Monster, kurz: FSM), genannt, die Welt erschaffen? Der 25-jährige Physiker Bobby Henderson nahm die Vorstöße der Kreationisten in den USA mit Humor – und traf auf eine unerwartete Resonanz. Immerhin, Konkurrenz belebt das Geschäft – im edlen Wettstreit um das intelligentere Design.

Oder ist Religion nicht doch einfach nur „Opium fürs Volk“ - gleich gefährlich, in gleicher Weise betäubend und ähnlich unverzichtbar? Ist sie nicht einfach eines der Instrumente der „Unterdrückung der Massen“? Reicht es nicht langsam, welches Leid speziell die drei extrem gewalttätigen vorderasiatischen Religionen über unsere Welt gebracht haben? Mit ihrem Bekehrungswahn, dem Djihad bei jedem falschen Räuspern und dem fatalen Glauben an das Auserwähltsein eines einzigen Volkes haben sie Ströme von Blut fließen lassen.

Wir Europäer haben da gewiss keine rühmliche Historie vorzuweisen – aber wir (oder einige kluge Köpfe unter uns) haben etwas daraus gelernt.

Aufklärung, Trennung von Staat und Kirche, Säkularismus, Demokratie – alles hart erkämpfte und teuer erkaufte rein europäische Errungenschaften für die es nirgendwo sonst auf der Welt Parallelen gibt. Das sind die wahren europäischen Grundwerte – dumpfen Spiritismus können alle anderen auch – und besser sogar noch.

Da müssen wir jeder restaurativen Gegenbewegung den Riegel vorschieben und schon dem Versuch entgegentreten, die Massen der Fernsehfußballgucker und Bildzeitungsleser mit rückwärts gewandtem Gedankengut einzulullen.

Die Forderung nach einem Gottesbezug in der Europäischen Verfassung ist so ein Fall oder die Forderung einer Ursula von der Leyen, den Religionsunterricht in (staatlichen!) Schulen verpflichtend zu machen.

Religion darf schon sein – wenn es sie denn nicht zu vermeiden ist. Aber bitte schön ganz strikt als reine Privatsache. Jeder Ausbruch in den öffentlichen Raum muss scharf bekämpft werden. Privat darf jeder Kreuz, Schleier, Turban oder sonst einen Ausdruck seiner religiösen Überzeugung tragen. Und diesen Privatbereich sollten wir auch ausdrücklich respektieren und ehren – solange er auch privat bleibt.

Hoheitlichen Kräften, also beispielsweise Richtern, Polizisten, Lehrern muss das in ihrer Dienstzeit natürlich verwehrt bleiben. Andernfalls können sie ihre Aufgabe nicht wahrnehmen. Und – überflüssig zu sagen – Kruzifixe, brutale Folterszenen aus einer archaischen Vorzeit, gehören nicht in die Schule, den Ort also, wo unsere Zukunft geschmiedet wird.

Auch wir nüchternen Deutschen haben da Nachholbedarf. Deutschland ist von seiner Verfassung kein rein säkularer Staat – das muss er erst noch werden.

Horst-Walther